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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados
Autoren: Caroline Lawrence
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mir die Hälfte des Himmels verdeckte. Sechs oder sieben Straßen stiegen treppenförmig an diesem steilen Berghang hinauf, wobei die unterste Stufe zu meiner Linken lag und die oberste zu meiner Rechten. Jede Stufe war eine Straße voller Backstein- oder Holzhäuser sowie einigen hier & da verstreuten Zelten. Wir folgten nun einigen Heuwagen, und unsere Geschwindigkeit hatte sich merklich verringert. Als wir den Außenbereich der Stadt erreichten, hielten wir an.
    »C Street, Virginia!«, rief der Kutscher. Flüsternd fügte er hinzu: »Die Kutsche fährt weiter zum International Hotel, aber du kannst hier absteigen, wenn du willst. Du wirst wahrscheinlich vor uns dort sein.«
    Unter mir öffnete sich eine der Türen, und ich spürte, wie die Kutsche etwas schaukelte. Ich spähte hinunter und sah einen rosafarbenen und schwarzen Sonnenschirm aussteigen. Ich schaute mich noch ein letztes Mal um, nur um sicherzugehen, dass Walt nicht in der Nähe war. War er nicht, also setzte ich mich auf, tippte dem Kutscher auf die Schulter, und als er den Kopf umwandte, hielt ich ihm meine Goldmünze hin.
    »Zieh ab«, sagte er & spuckte Tabaksaft auf den Boden. »Ich hab kein Wechselgeld für’n Zwanzig-Dollar-Goldstück.Du zahlst, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Sag deinem Reverend-Pa, er soll beim Herrgott ’n gutes Wort für mich einlegen. Jas Woorstell ist der Name. Zwei Os und zwei L.«
    Ich nickte & schloss die Augen & betete leise: »Lieber Gott, da mein Pa tot ist und dich nicht bitten kann, bitte ich dich selbst: Bitte segne Jas Woorstell – mit zwei Os und zwei L – für seine christliche Nächstenliebe.« Dann ließ ich mich vorsichtig an der Rückseite der Postkutsche herunter & sprang auf den staubigen Boden.
    Eine offene Kutsche war hinter uns angefahren, und hinter ihr staute sich noch mehr Verkehr.
    Ich dachte: Diese C Street scheint hier die Hauptstraße zu sein.
    Dann dachte ich: Ich verlasse sie besser – für den Fall, dass Walt und seine Kumpane mich immer noch verfolgen.
    Ich war außer Atem und mir war ganz schwindlig, während ich zwischen einigen Beifußsträuchern & Hütten & einem Minengebäude eine steile Straße hinunterkraxelte. Dann bog ich nach links und folgte einer staubigen, aber ebenen Straße & eilte mit gesenktem Kopf eine Weile weiter.
    Irgendwann dachte ich: Jetzt bin ich also auf dem Spielplatz des Satans angekommen. Ich sollte besser mal schauen, wo ich mich hier eigentlich befinde.
    Also blieb ich stehen und sah mich um.
    In Dayton gibt es zwei chinesische Wäschereien, aber hier schienen sie eine ganze Straße einzunehmen, zusammen mit einem Holzlager & einer Brauerei & einigen weiteren Hügeln aus gemahlenem Gestein. Dampf & Rauchstiegen von den Dächern der Holzhütten auf, die sich eng aneinander drückten. Ich konnte Seifenlauge und Stärkemittel riechen. Die Wäsche auf den Leinen flatterte im leichten Wind des späten Nachmittags, & einige Laken waren sogar auf den Dächern der Hütten ausgebreitet. Überall liefen Chinesen herum. Einige Schilder waren mit chinesischen Schriftzeichen beschrieben, die meisten aber auf Englisch. Da stand zum Beispiel: SEE YUP, WASCHEN UND BÜGELN und SAM SINGH & AH HOP, WÄSCHE.
    Vor einer der Wäschereien gab es eine Wasserpumpe, direkt am Straßenrand. Ich war ordentlich eingestaubt von der Fahrt auf der Kutsche, also ging ich zu ihr hinüber, pumpte etwas Wasser & spritzte es mir ins Gesicht. Dann pumpte ich weiter und senkte meinen Kopf, um etwas zu trinken, als eine Frauenstimme ausrief: »Halt! Trink das nicht! Es ist giftig!«

KONTOBUCHBLATT 8

    »Halt!«, rief die Frau. »Nix trinken!«
    Ich drehte mich um & sah, dass es die Frau mit dem Sonnenschirm von der Kutsche war. Sie hatte braunes Haar, auf dem ein kleiner Hut mit Federn saß, und sie trug ein bauschiges rotes und rosafarbenes Kleid.
    »Nix trinken Wasser! Ist schlechte Medizin!«
    »Wie bitte?«
    »Oh! Du sprichst Englisch. Ich dachte, du wärst ein Indianer. Ich wollte dich warnen, dass das Wasser hier in der Gegend nicht trinkbar ist. Es ist verpestet mit Arsen, Grafit und Kupfervitriol.«
    Ich kannte keine dieser Bezeichnungen, aber sie klangen unangenehm.
    Ich fragte: »Was trinken die Leute denn dann?«
    »Hauptsächlich Whiskey.« Sie lächelte. Ich konnte nicht erkennen, ob es ein Lächeln Nr. 1 oder ein Lächeln Nr. 2 war.
    Ich musterte sie genau. Ihr rosarotes Kleid bauschte sich unter der Hüfte & darüber war es sehr knapp geschnitten.Es war mit
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