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Flucht nach Colorado

Flucht nach Colorado

Titel: Flucht nach Colorado
Autoren: Cassie Miles
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seine Überlegenheit zu genießen. Das ärgerte sie trotz ihrer Angst.
    Sie musste etwas tun, sich irgendwie befreien. Sie spannte ihre Armmuskulatur an und versuchte, einen Ellbogen in seinen Bauch zu rammen. Doch dann mahnte sie sich zur Vorsicht. Vergiss die Pistole nicht. Das Schlimmste, was sie jetzt tun konnte, war, ihn zu provozieren. Mit möglichst ruhiger Stimme sagte sie: „Sie haben mich um Hilfe gebeten. Ich werde tun, was ich kann. Aber bitte tun Sie mir und meinem Hund nichts an."
    „Einverstanden." Er lockerte seinen Griff.
    Endlich wieder frei, drehte sie sich schnell um und sah ihm ins Gesicht. Er trug Gefängniskleidung, Jeans und ein blaues Hemd mit einer schwarzen Nummer über der Brusttasche. Sein dunkelbraunes Haar hing ihm struppig ins Gesicht. Er blutete am linken Oberarm. Blut klebte auch unter einem seiner Wangenknochen. Er gab ihren Blick zurück, düster und verzweifelt.
    „Jordan Shane", flüsterte sie. „Sie sind geflohen."
    Sie hatte sich in ihm getäuscht. Bis zu diesem Augenblick hatte sie an seine Unschuld geglaubt. Doch unschuldige Männer rannten nicht davon. Jordan Shane war ein kaltblütiger Mörder. In seiner rechten Hand hielt er eine 22er-Automatik, mit der er auf ihre Brust zielte. „
    Das ist meine Pistole", stellte sie erbost fest.
    „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich mir diese Erbsenschleuder ausgeliehen habe."
    Sie bewahrte die ungeladene Pistole in einer Holzkiste im obersten Fach ihres Kleiderschranks auf. Die Munition war zwischen ihrer Unterwäsche versteckt. Er hatte also ihr Haus durchsucht. Bei der Vorstellung, dass ein Mörder ihre persönlichen Sachen durchwühlt hatte, wurde ihr übel.
    Nichtsdestotrotz kuschelte Pookie sich zärtlich an ihn. Hatten Tiere denn nicht einen siebten Sinn für gefährliche Situationen? Emily beschloss, Pookies Urteil nicht zu ernst zu nehmen. Kühl sagte sie: „Ich habe kein Auto gesehen. Wie sind Sie hierher gekommen?"
    „Ich habe in dem Schuppen hinter Ihrem Haus geparkt und die Tür verschlossen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen."
    Und ob sie etwas dagegen hatte! Es war nicht ihre Art, entflohenen Kriminellen Unterschlupf zu gewähren. Sie ließ sich von seiner aufgesetzten Höflichkeit nicht eine Sekunde lang täuschen. Schließlich war Jordan Shane nicht einfach nur auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen. „Was wollen Sie von mir?"
    „Ich brauche medizinische Versorgung. Ich bin angeschossen worden."
    Auch ohne das ganze Blut hätte Emily wegen des Zuckens seiner Schulter auf eine schwer wiegende Verletzung geschlossen. Sein Atem ging flach. Seine Gesichtsfarbe war fahl.
    Nichts an Jordan Shane erinnerte an den attraktiven Wohltäter, der ihr vor einem Jahr einen Besuch abgestattet hatte. Als er das letzte Mal hier gewesen war, war er tief gebräunt gewesen. Doch sechs Wochen im Pitkin-County-Gefängnis hatten seiner gesunden Farbe den Garaus gemacht. Er hatte abgenommen, wirkte aber nicht zerbrechlich. Seine Gesichtszüge waren schärfer, so als ob die Strapazen der letzten Wochen sich ihm bis auf die Knochen ins Fleisch gegraben hätten.
    Als sie ihn so anstarrte, verspürte sie wieder diese instinktive Sympathie für ihn. Und dieses Gefühl überwog ihre Angst und ihre Wut. Solange sie sich erinnern konnte, hatte Emily sich zu den Armen und Schwachen hingezogen gefühlt. Sie war die geborene Krankenschwester. Sie glaubte ernsthaft an das Motto des Rettungsdienstes: „... auf dass andere am Leben bleiben." In diesem Fall jedoch versagte ihr Instinkt offenbar kläglich.
    Jordan Shane war gefährlich. „Ich kann Ihnen nicht helfen", sagte sie. „Wenn ich es täte, würde ich Beihilfe zu einem Verbrechen leisten."
    „Nicht, wenn ich Sie zwinge", sagte er und spielte beiläufig an der Pistole herum. „Ich bin nicht hier, um Ihnen Ärger zu machen, Miss Foster."
    „Warum dann? Warum haben Sie sich ausgerechnet mich ausgesucht?"
    „Das war nahe liegend." Jordan trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen das Sofa.
    Ihm war schwindlig. Er glaubte nicht, dass das am Blutverlust lag. Wahrscheinlich verwirrte ihn seine eigene Verwegenheit. Er hatte nie zu den Männern gehört, die erst handelten und dann nachdachten. Und mit einem Mal war er auf der Flucht vor dem Sheriff von Pitkin County. Genau in diesem Augenblick würde eine umfangreiche Suchaktion gestartet werden.
    „Nahe liegend? Sie sind deswegen hierher gekommen?"
    „Ja."
    Das Denken fiel ihm schwer. Er hatte das Gefühl, dass die
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