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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem
Autoren: Daria Charon
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schließlich vor der Kutsche. Kate vergrub die Hände in den Taschen ihres Umhangs. Eine letzte Frage brannte ihr noch auf der Zunge, und sie nahm all ihren Mut zusammen, um sie zu stellen.
„Wie kommt es, dass Ihr Englisch sprecht, Karim Pascha?“
Er öffnete die Tür der Kutsche. „Ich wuchs im Harem auf. Wie alle Knaben bis zum achten Jahr. Es gab Frauen, die englisch sprachen, einige sprachen französisch, andere russisch.“ Er blickte auf sie hinunter. „Man kann viel lernen, wenn man lernen möchte. Und wenn man nicht alles Fremde ablehnt. Wie mein Bruder.“
„Das habe nicht gewusst“, murmelte Kate unbeholfen.
„Du hast vieles nicht gewusst. Oder nicht verstanden, Leila.“ Er bückte sich und klappte das Treppchen hinunter. „An dem Tag, als dich mein Bruder zu sich rufen ließ und ich dir begegnete, ehe du zusammengebrochen bist, hatte ich Ahmet das Versprechen abgerungen, dich zur Frau nehmen zu dürfen.“ Er blickte sie mit einem unergründlichen Ausdruck an und zuckte dann die Schultern. „Wie dem auch sei, ich wünsche dir Glück. Dass du es findest und dass du es festhalten kannst.“
Sie nickte und stieg ein. Vermutlich erwartete er ein ebenso versöhnliches Abschiedswort, aber das konnte sie ihm nicht geben, da sie niemals vergessen würde, was er ihr angetan hatte.
„Lebt wohl, Karim Pascha“, brachte sie steif über die Lippen.
Sie wünschte ihm kein Glück.
Zahlreiche hellerleuchte Fenster verrieten, dass im Haus in der St. James Street noch reges Treiben herrschte, als die Kutsche davor anhielt. Was nicht weiter erstaunlich war, da die Uhr erst kurz nach neun Uhr abends zeigte.
Noch immer fühlte sich Kate wie betäubt und konnte nicht glauben, was passiert war. Sie musste Justin nicht verlassen, und sie musste ihre Tage nicht einem Harem beschließen, abhängig von der Laune Karim Paschas.
Ob Serena wirklich wusste, worauf sie sich einließ? Kate hatte ihr genügend Schilderungen vom Leben im Harem gegeben und von Karims Charakter, um ein deutliches Bild zu zeichnen. Wenn sie sich trotzdem freiwillig und freudig – Kate schauderte – in die Arme des Paschas stürzte, dann war sie für alles, was von nun an geschah, selbst verantwortlich.
Während Kate die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufstieg, dachte sie an Serenas Worte. Er ist nicht der richtige Mann. Für dich. Als ob Karim Pascha für irgendeine Frau der richtige Mann sein könnte … Sie schüttelte den Kopf und öffnete ihre Zimmertür.
Zu ihrer Überraschung brannten im Raum zahlreiche Kerzen. Kate streifte ihren Umhang ab und warf ihn achtlos über einen Stuhl. Dann erst entdeckte sie Justin. Er stand in einer Ecke des Zimmers beim Fenster, dessen Vorhänge zugezogen waren. Als er sich schwerfällig wie ein alter Mann umdrehte, erkannte sie den Brief in seinen Händen.
Ihr erster Impuls, zu ihm zu laufen und sich in seine Arme zu werfen, erstarb. Also blieb sie stehen, legte die Hände ineinander und wartete.
Sein Gesicht war grau. Er sah sie nicht an, sondern blickte noch immer auf das Blatt Papier. „Ich … ich konnte mich nicht mit Pete treffen. Es kam mir so … so … falsch vor. Irgendetwas an der ganzen Situation kam mir falsch vor“, wiederholte er mit ausdruckloser Stimme. „Deshalb dachte ich, ich könnte dich und Serena abholen, und wir würden den Abend gemeinsam verbringen.“
Und natürlich hatte ihn der Butler auf ihr Zimmer gelassen, es war ja nicht das erste Mal. Man wusste, dass er ihr Liebhaber war, der in diesem Haus ein- und ausgehen konnte, wie es ihm beliebte.
„Nun, ihr wart nicht da, und ich wollte auf dich warten. Hier.“ Er holte tief Luft. „Ich bin gerne in diesem Raum. Er spiegelt dein Wesen wider und atmet deinen Duft. Wenn ich hier bin, stelle ich mir immer vor, dass es so sein müsste, wenn du meine Frau bist. Wenn mein ganzes Haus von dir erfüllt ist.“
Jetzt sah er sie doch an. „Dann habe ich den Brief gefunden. Es stand mein Name drauf, sonst hätte ich ihn nicht geöffnet.“
Kate nickte. „Ja, er war auch für dich bestimmt, Justin“, sagte sie leise.
„Es ist ein Abschiedsbrief. Du willst morgen mit dem Pascha abreisen.“ Seine Stimme klang tonlos, keine Frage lag darin, nur abgrundtiefe Verzweiflung.
Kates Magen verwandelte sich in einen kalten Klumpen. Sie musste ihm die Wahrheit sagen, es durfte keine Lügen mehr zwischen ihnen geben.
„Ja, das wollte ich“, erwiderte sie müde. „Das war die Bedingung dafür, dass der Pascha deine Identität bestätigte.“
„Kate
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