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Florian und das Geisterhaus

Florian und das Geisterhaus

Titel: Florian und das Geisterhaus
Autoren: Oliver Hassencamp
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von sich aus zu wollen. Gleichzeitig mit ihr stand er auf. Beide öffneten die Augen, und sie sagte: „Ihr schlechtes Gewissen macht sie direkt hellsichtig, August! Sehr im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kommissar.“
    Starr standen die beiden da, als wären sie ihre eigenen Wachsfiguren.
    „Guten Tag, die Herren!“ fuhr die Tante spöttisch fort. „Hatten Sie schöne Ostern?“
    „Ma... Madame...!“ stammelten sie.
    „ Ecco !“ Florian grinste hemmungslos. „Dein Heilschlaf Tante war molto convincente — wie der Italiener sagt: Sehr überzeugend. Ich habe mich glänzend erholt.“
    „Ich... ich habe nur meine Pflicht getan!“ stotterte der Fleischkloß. August hatte sich in den Kellervorraum verzogen.
    „Pflicht — die Entschuldigung der Einfältigen!“ Mild lächelte die Tante. „Zur Pflicht gehören Tatsachen, Herr Kommissar! Nicht Vermutungen. Entschuldigen Sie uns jetzt bitte.“
    Ohne die beiden weiterer Blicke zu würdigen, verließen die Taxiurlauber die Kellerklinik und begaben sich geradewegs in die Küche.
    Wie schön! Die vertraute Umgebung! dachte Florian. Und im eigenen Fahrgestell!
    Agathe war nicht erstaunt — sie wußte ja Bescheid — aber sichtlich erleichtert. „Gott sei Dank!“ Sie schloß Florian in die Arme. „So langsam ist mir drunten doch mulmig geworden. Der Pulsschlag war zwar da, aber trotzdem.“
    „Wie spät ist es, Agathe?“ fragte die Tante. „Meine Uhr ist stehengeblieben während der Kur.“
    „Teezeit“, antwortete sie. „Halb fünf.“
    „Wir müssen zuerst Mittag essen!“ sagte Florian. „Spaghetti!“
    „Hab ich da!“ Agathe holte die Schüssel aus dem Kühlschrank. „Und auf welche Art soll ich sie machen?“
    „Moment!“ Ohne Kristallkugel legte Tante Thekla die Fingerspitzen an die Schläfen und diktierte Agathe Teresas Spezialrezept. Bis auf Oliven war alles da.
    Die beiden Osterurlauber vertilgten große Mengen am großen Tisch in Tantes Zimmer.
    „So was Dummes!“ Unbeholfen drehte Florian die Gabel. „Mit Filippos Händen ging das so fix.“
    „Ich bin ausgesprochen zufrieden“, entgegnete die Tante, obwohl sie auch nicht schneller wickelte. „In mich geht genausoviel rein! Dabei bin ich nur ein Drittel von Teresa.“
    „Eins begreif ich nicht“, sagte Florian, ohne den genüßlichen Kauvorgang zu unterbrechen. „Daß unseren Originalkörpern unser Taxiessen so schmeckt. Ich hatte regelrecht Heißhunger danach.“
    „Das ist die Kraft des Geistes“, antwortete die Tante.
    Weiter langsam Spaghetti drehend, erkundigte sich Florian: „Was macht denn mein Schwingungszwilling gerade?“
    Tante Thekla legte die Gabel weg, um die Fingerspitzen an die Schläfen zu nehmen. „Es geht ihm sehr viel besser. Er hat keine Schmerzen. Adelheid sitzt an seinem Bett und fächelt ihm Kühlung zu.“
    Florian nickte. „Die mag ihn! Das hab ich gemerkt. Da wird Graziella wieder sauer sein.“
    „Ein sehr egoistisches Mädchen!“ meinte die Tante. „Sie wollte, daß er für sie an einer besonders tiefen Stelle taucht und ihr die schönste Muschel raufholt. Das hat er nicht gemacht.“
    Florian nickte vor sich hin. „Er ist überhaupt ein prima Bursche! So gut wie ihn kenne ich eigentlich sonst niemand. Nicht einmal Jens, meinen besten Freund. Auch meine Eltern nicht. Und niemand kann man’s erzählen. Außer Agathe! Wenn ich Papa und Mama damit käme, ich glaube, die würden mich in die Klapsmühle stecken. Und gerade bei ihnen wär’s so ein Spaß.“
    Belustigt blitzten die grünen Augen. „Wie ich dich kenne, wird dir da schon was einfallen. Wenn man zu viel weiß, heißt es, die richtige Form zu finden. Ich muß manchmal lügen, um die Leute an die Wahrheit zu gewöhnen.“
    Während sich Florian überlegte, wie das in seinem Fall wohl aussehen könnte, klopfte es an die Tür. August streckte den Kopf herein. „Entschuldigen Sie die Störung, Madame. Da ist eine Dame, die sich nicht angemeldet hat. Sie sagt, sie sei eine Verwandte von Ihnen.“
    Tante Lene war’s. Ziemlich kleinlaut trat sie ein, entschuldigte sich für ihr Kommen und floh in die Umarmung mit dem schwarzen Schaf der Familie.
    Tante Thekla lächelte. Überrascht war sie nicht.

    Jetzt kann ich gleich mal feststellen, wie sie die richtige Form findet! dachte Florian.
    Aber die Hellseherin sagte kaum ein Wort. Sie nickte nur zu dem aufgeregten Gerede der Zigarillowitwe, die sich immer wieder entschuldigte, sie sei nur gekommen, aus Sorge wegen des Schlafwandlers. Sie sei den
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