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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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du denn, daß meine Tante Zeit für mich hat?“ Noch bevor Agathe antworten konnte, klingelte das Telefon. Sie wischte die Hände ab und nahm den Hörer. „Ja, bitte?“ sagte sie, dann „Ja“, legte auf und sah zu Florian hinüber. „Du sollst mit ihr Mittag essen!“
    Florian schüttelte den Kopf. „Wie macht sie das nur? Du denkst etwas und schon kommt die Antwort.“
    „Wie mit den Spaghetti“, antwortete sie.
    „Weißt du, worüber ich froh bin?“ Florian lachte still vor sich hin. „Daß sie nur meine Tante ist. Stell dir vor, eine Mutter, die jeden deiner Gedanken kennt! Oder ein Vater
    Bis zum Mittagessen blieb noch eine Stunde Zeit. Florian hatte plötzlich keine Lust mehr zu reden. Allein wollte er sein, wie vor einer Prüfung. Er ging hinauf in sein Zimmer. Die Tür quietschte. Stillsitzen aber konnte er auch nicht. So ging er hinunter, holte sich Maschinenöl aus der Werkzeugkiste, lief wieder hinauf und träufelte es auf die Kloben der Tür. Auch beim Bad und in Agathes Zimmer. Neugierig sah er sich um. Es war viel kleiner, hatte eine schräge Wand und Ausblick aufs Dach. Aber ein niederes breites Bett und ein Tierfell davor. Florian ließ sich auf die Matratze fallen und kam wie von einem Trampolin wieder hochgeschnellt. Er ging zurück in sein Zimmer, ölte auch noch die Fenster und die Schranktür und zu guter Letzt die Ventile seiner Trompete, obwohl es dafür ein besonderes Öl gibt, das nicht verharzt. Und wäre sie nicht aus Holz gewesen, er hätte auch noch die Treppe geölt.
    Die letzte Viertelstunde wartete Florian in der Küche. Würde Tante Thekla ihn wieder fernsteuern? Er sagte nichts und Agathe fragte nichts. Mit geschlossenen Augen saß er auf der Eckbank und horchte in sich hinein, auf die innere Stimme, die ihm sagen sollte: Jetzt geh zu ihr! Dabei spürte er, wie die Aufforderung sich bildete und rasch an Kraft zunahm. Als sie Be fehlsstärke angenommen hatte, stand er auf, rannte hinaus und platzte, trotz des Schildes „Bitte nicht stören!“, mit der Tür ins Zimmer, wie man so sagt.
    Tante Thekla saß in ihrem Lehnstuhl, die Fingerspitzen an die Schläfen gelegt und starrte mit ihren großen, grünen Augen auf die Kristallkugel. Ihr gegenüber auf dem Besucherstuhl saß ein dicker Mann und hielt die linke Hand hinter das Ohr, damit ihm ja nichts entgehe, was Tante Thekla ihm sagte.

    Auf sein Hereinplatzen reagierten beide überhaupt nicht. Wie Wachsfiguren saßen sie da. Und trotzdem: Hatte Florian eben noch den Drang zu kommen gespürt, fühlte er jetzt, doppelt so stark, die Aufforderung zu gehen. Auf Zehenspitzen zog er sich in die Küche zurück.
    Agathe stand am Herd. Sie sagte nichts, doch Florian war fast sicher, daß sie ihn auslachte. Oder doch nicht?
    Es ist schon saudumm, wenn man sich auf seine Gefühle nicht mehr verlassen kann! Ärgerlich rutschte er auf die Eckbank.
    „Gibt’s bald was?“ August stand an der Tür und streckte die Nase herein.
    „Sie werden es erwarten können, Herr August“, antwortete Agathe barsch.
    „Dann sorg dafür, daß es nicht schon lang vorher so gut riecht! Das macht die Gäste unruhig.“ Sprach’s und war verschwunden.
    Da klingelte das Haustelefon. Agathe nahm den Hörer ab und sagte wieder: „Ja, bitte?“ dann „Ja“ und, nachdem sie aufgelegt hatte, zu Florian: „Du sollst jetzt kommen.“
    Diesmal klopfte er zur Sicherheit an.
    „So, Flori , jetzt machen wir’s uns gemütlich“, sagte Tante Thekla freundlich. „Rück mal den Tisch da drüben zwischen uns und decke auf. Besteck ist in der Schublade.“
    Das war genau die richtige Tätigkeit, um sich nebenbei zu entschuldigen. „Verzeih, Tante, wenn ich da vorhin reingeplatzt bin...“
    „Du? Wann?“ Erstaunt sahen ihn die grünen Augen an.
    „Eben. Vor fünf Minuten vielleicht.“
    „Hab ich nicht bemerkt.“
    Florian beschrieb ihr, wie sie und der Herr dagesessen hatten.
    Sie lachte und schlug die Hände zusammen. „Da waren wir grade im Jahr 1827 in einem anderen Leben von dem Kunden. Wenn ich in der Konzentration bin, kannst du mich wegtragen!“
    „1827?“ staunte Florian. „So weit siehst du zurück?“
    „Die Zeit ist für mich aufgehoben, Jahre spielen da keine Rolle“, antwortete sie. „Aber zu dir: Wie geht’s? Hast du dich schon ein bißchen eingewöhnt bei uns? Oder langweilst du dich hier?“
    Florian hatte den Tisch gedeckt, ließ sich auf den Besucherstuhl fallen und lachte. „Was fragst du mich? Du weißt doch alles!“
    „Da
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