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Florentinerpakt

Florentinerpakt

Titel: Florentinerpakt
Autoren: Gmeiner Verlag
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weitere Standorte antreten.
    Beide waren seit Anfang des Monats dabei, restliche
Urlaubstage zu konsumieren oder sich auf ihre neuen Aufgaben vorzubereiten. Zum
neuen Chef der Kriminalpolizei in Döbling war Inspektor Werner Musch ernannt
worden, der bisherige zweite Mann im Kommissariat Liesing und jüngere Bruder
Manfred Muschs vom Kriminalamt Wien. Er sollte sein Amt mit Jahresbeginn
antreten, war aber schon jetzt fast ständig auf der Hohen Warte anzutreffen.
    Die bösen Ahnungen, die Mario Palinski befallen hatten,
nachdem ihm der Ruf des Neuen zu Ohren gekommen war, hatten sich bald mehr als
nur bestätigt. Der mit knapp 1,70 etwas kurz geratene Einzelgänger, dessen
fachlicher Ruf, na ja, sagen wir einmal, nicht ganz unumstritten war, war dazu
noch egozentrisch, rechthaberisch und unzugänglich. Darüber hinaus gefiel er
sich gelegentlich in martialisch anmutenden Posen, die wohl an den »Großen
Korsen« oder ähnliche historische Vorbilder erinnern sollten und mit denen er
nicht nur sein unmittelbares Umfeld nervte.
    Beim ersten Aufeinandertreffen hatte der ›Kleine
Musch‹, wie der korrektere der beiden in Polizeikreisen kursierende Spitzname
des Neuen lautete, der andere dagegen war eindeutig zweideutig und wurde nur
hinter vorgehaltener Hand geflüstert, Palinski gegenüber keine Zweifel
offengelassen, was er von einer Zusammenarbeit mit dem »zivilen
Kriminalspinner« hielt, nämlich gar nichts. »Ich weiß, dass Sie bisher eine
große Nummer hier im Kommissariat waren. Aber die Zeiten sind vorbei. Ich halte
Ihre Kriminologie oder wie der Scheiß heißt, nur für faulen Zauber und brauche
Ihre Hilfe nicht.« Und das war’s gewesen.
    Aber auch sonst schien alles um Palinski herum im Umbruch
begriffen zu sein. Da war vor allem einmal Wilma, mit der er seit 25 Jahren
zwar nicht verheiratet, bisher aber insgesamt recht glücklich gewesen war.
Nicht nur, dass sie sich um die Leitung des Gymnasiums in der Klostergasse
beworben und angeblich beste Chancen darauf hatte. Nein, sie war auch dem
Lockruf der Politik gefolgt und wollte bei den kommenden Wahlen auf einem
sicheren Listenplatz für die Grünen kandidieren. Praktisch bedeutete das seit
einigen Wochen Sitzungen, Diskussionsveranstaltungen und sonstige Termine, bei
welchen die Anwesenheit der neuen grünen »Bildungsexpertin« unabdingbar war. Ja
gut, der Gedanke an eine Abgeordnete Wilma Bachler hatte etwas für sich, aber
sie fehlte Palinski schon sehr in letzter Zeit. Und dann verplemperte sie den
kargen Rest ihrer Freizeit in diesen Tagen noch an irgendeinem Punschstand, um
ihre Freundinnen Ollie und Vally, das klang fast wie ein Komikerpaar aus der
Stummfilmzeit, bei der Steigerung des Rumabsatzes in Österreich zu
unterstützen. »Der Reinerlös dient karitativen Zwecken«, hatte Wilma
festgestellt und damit seinen schüchternen Einwand gegen diese systematische
Förderung des Alkoholismus im Lande vom Tisch gefegt. Na, vielleicht war er ein
wenig übersensibel, sie fehlte ihm halt sehr.
    Dann die Kinder: Zwar hatte er vor Kurzem eine Tochter
dazubekommen, aber dass alle drei bereits flügge und damit quasi aus dem Haus
waren, war auch etwas, mit dem er erst fertig werden musste.
    Last, but not least hatte Margit Waismeier, seine heiß
geliebte und unverzichtbare Bürochefin, seit Neuestem einen festen Freund.
Einen Diplomingenieur aus München, der im Mai nächsten Jahres für seine Firma
nach Prag übersiedeln sollte. Als Niederlassungsleiter oder etwas Ähnliches.
Was würde sein, wenn sich diese Beziehung so entwickelte, dass der Mann Margit
und ihren Sohn mit sich nahm? Unvorstellbar, dachte Palinski, aber was konnte
er im Fall des Falles schon viel dagegen tun?
    Ihm war natürlich klar, dass Leben ständige Veränderung
bedeutete, aber dass ihm derzeit lediglich seine beiden Hunde Max und Moritz
als Konstante geblieben zu sein schienen, machte ihn doch erheblich betroffen.
    Ja, da war natürlich auch noch sein Assistent Florian
Nowotny. Der junge Mann war jetzt schon etwas länger als ein Jahr bei ihm und
hatte sich bereits als unersetzlich erwiesen. Wie auch immer, Palinski fühlte
sich einsam und leer, unterfordert und ungeliebt. Simpel ausgedrückt also
beschissen.
    Während er jetzt seinen PC ausschaltete und sich für eine
ausgedehnte Runde mit den beiden Hunden fertig machte, unterbrach das Klingeln
des Festnetztelefons die Stille des Raumes.
    Rasch und voll unvernünftiger Hoffnung,
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