Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliehkräfte (German Edition)

Fliehkräfte (German Edition)

Titel: Fliehkräfte (German Edition)
Autoren: Stephan Thome
Vom Netzwerk:
erkennt.
    »Es tut mir leid, Hartmut. Ich wollte dich nicht austricksen. Allerdings meinte Peter schon, dass du im Gespräch nicht den Eindruck erweckt hast, als würdest du den Job haben wollen. Du hast ihm seitdem auch nicht geschrieben, oder?«
    »Nein.«
    »Weil du nicht wusstest, ob ich es will. Aber ob du es willst, wusstest du auch nicht.«
    »Was habt ihr vereinbart, wie sollte ich von Peters Rückzieher erfahren?«
    »Ich hab gesagt, es war meine Idee, also will ich es dir selbst sagen. Peter war es mehr als recht, dass er es nicht tun muss. Wenn du dich bei ihm gemeldet und zugesagt hättest, wäre ihm nichts anderes übrig geblieben. Wahrscheinlich hat er seine E-Mails zwei Wochen lang zitternd gelesen. Ich wollte es dir nicht am Telefon sagen. Zwei Mal war ich kurz davor, aber dann   – ich wollte, dass wir uns in die Augen sehen dabei.« Was sie zu tun versucht, aber jetzt ist er es, der starr geradeaus blickt. Weit draußen auf dem Wasser blinken Lichter. Ist er erleichtert oder enttäuscht? Fühlt er sich bestätigt oder beschämt? Weder noch und alles zugleich.
    »Philippa würde sagen, man kann alles am Telefon besprechen, bloß besser.«
    »Lass Philippa aus dem Spiel und sag mir, dass du dich hintergangen fühlst. Du hast recht. Im Nachhinein weiß ich, dass es ein Fehler war.«
    Hartmut zuckt mit den Schultern. Zu dem Wenigen, das er sicher weiß, gehört, dass er nicht wütend ist. Als gäbe es in ihm eine Schublade mit der Aufschrift ›Wut‹, deren Inhalt ihm gehört wie ein Stapel alter Bücher aus der Jugend. Kein Interesse, sie noch einmal aufzuschlagen.
    »Ich glaube nicht, dass das Gespräch anders verlaufen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass es deine Idee war. Peter hat recht, ich passe nicht in sein Team. Wenn ich es nicht beim Vorstellungsgespräch verbockt hätte, dann später.« Er streckt den Arm aus und zieht Maria zu sich heran. »Kannste machen nix, hat meine Mutter immer gesagt. Wenn schon scheitern, dann lieber so früh wie möglich.«
    Sie legt den Kopf auf seine Schulter. Als wäre damit alles geklärt und sie könnten zu plaudern beginnen.
    »Die letzten zwei Wochen waren furchtbar. Das Gastspiel in Kopenhagen. Zu wissen, dass du dich mit einer Entscheidung herumquälst, die dir gar nicht offensteht. Das Gefühl, dir reinen Wein einschenken zu müssen, aber nicht zu wissen, wann und wie. Als ich erfahren habe, dass du seit einer Woche unterwegs bist, wusste ich überhaupt nichts mehr. Ich dachte, jetzt fliegt alles auseinander. Und dass es meinetwegen so weit gekommen ist.«
    »Für mich war es besser zu reisen, als in Bonn über meiner Entscheidung zu brüten oder mir den nächsten Aufsatz aus den Fingern zu saugen. Ich war in den Picos de Europa, erinnerst du dich? In der Nähe von Potes, bei dieser romanischen Kirche in den Bergen. Die Kirche war zu, also sind wir runter zum Fluss gegangen und haben uns ins Gras gelegt.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Du und ich, damals.«
    »Wir waren nicht in den Picos de Europa.«
    »Doch, auf unserer ersten Portugalreise. Die Kirche hieß Santa Maria, wie sonst.«
    »Wir sind über die Hochebene gefahren, Hartmut. Burgos, Salamanca. In Burgos hatten wir eine Autopanne. Kirchen, die Santa Maria hießen, haben wir alle zwei Tage besichtigt, aber nicht in den Picos de Europa.«
    »Ich hab den Ort wiedererkannt.« Er nickt und ist sich seiner Sache sicher. Von dort aus sind sie nach Salamanca gefahren. In Burgos waren sie auf dem Rückweg, und Pannen hatten sieinsgesamt drei. Sein alter Opel Kadett sprang häufig nicht an, und im Innenraum roch es ständig nach Motoröl.
    Ein Hund läuft über die Mauer zwischen Promenade und Strand. Damals haben sie immer wieder angehalten, um zu schwimmen, an der Küste oder an einsamen Flussufern. Nur sie und er, manchmal nackt. Jetzt bekommt er trotz der Kühle Lust auf ein Bad im Meer. Während der gesamten Reise hat er nur ein einziges Mal gebadet. Sein Sonnenbrand fühlt sich an wie hohes Fieber.
    »Du bist also nicht sauer auf mich?«, fragt sie. »Wirklich nicht?«
    »Nein.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Wir suchen uns ein Hotel und ein gutes Restaurant. Ich hab heute nicht viel gegessen. Wir rufen in Rapa an, und morgen fahren wir hin. Das ist früh genug.«
    »Ich meinte danach. Du hast gesagt, du kannst nicht länger so leben wie in den letzten zwei Jahren. Aber nach Berlin kommen wirst du auch nicht. Also?«
    »Maria, ich habe zwei Wochen lang über eine Option nachgedacht, die nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher