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Die unsichtbare Sonne

Die unsichtbare Sonne

Titel: Die unsichtbare Sonne
Autoren: Poul Anderson
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Das dreieckige Rad
     
1
     
    »Nein!«
    Rebo Legnors-Kind, der Herzog von Gilrigor, wich erschrocken vor der Zeichnung zurück, als sei sie plötzlich lebendig geworden. »Woran denken Sie?« fragte er entsetzt. »Verbrennen Sie das Ding! Sofort!« Seine Hand zitterte, als er auf das große Kohlenbecken wies, dessen Feuerschein den Audienzraum kaum erhellte. »Dort drüben. Ich habe nichts gesehen, und Sie haben mir nichts gezeigt. Verstanden?«
    David Falkayn ließ das Blatt Papier fallen, auf das er gezeichnet hatte. Es flatterte langsam nach unten, denn der Luftdruck war hier ein Viertel höher als auf der Erde. »Was …« Seine Stimme überschlug sich, was lächerlich wirkte. Er riß sich zusammen und sah dem Ivanhoaner ins Gesicht. »Was ist denn los?« erkundigte er sich. »Das war doch nur eine Zeichnung.«
    »Ja, aber von der Malkino.« Rebo schüttelte sich förmlich. »Dabei gehören Sie nicht einmal zu uns und sind vor allem kein Geweihter.«
    Falkayn starrte ihn forschend an, als glaube er, den Gesichtsausdruck des anderen deuten zu können. In dem dunkelroten Sonnenlicht, das schräg durch die schmalen Fenster fiel, sah Rebo mehr einem Löwen als einem Menschen ähnlich, aber auch diese Ähnlichkeit war nur oberflächlich. Sein Körper, der auf kurzen kräftigen Beinen ruhte, war untersetzt und gedrungen, ohne dabei dicklich zu wirken. Die ebenfalls kurzen Arme liefen in Hände mit jeweils drei Fingern und einem Daumen anstelle des kleinen Fingers aus. Ein dunkelbrauner Pelz bedeckte den gesamten Körper, aber jedes Haar war mit winzigen Stacheln besetzt, so daß der Eindruck eines Federkleides entstand. Der Kopf mit den großen grünen Augen und den spitzen Ohren erinnerte an eine Katze, aber die Tatsache, daß die Atemöffnungen sich zu beiden Seiten des Unterkiefers befanden, machte diesen Eindruck fast wieder zunichte. Trotzdem hatte Rebo deutliche Ähnlichkeit mit einem Löwen, denn die hellbraune Mähne, die sein Gesicht umgab und den halben Rücken bedeckte, und der lange Schwanz mit der dunkleren Quaste erinnerten Falkayn unwillkürlich an die Tiere, die er im Zoo gesehen hatte. Ein Paar kurze Hosen und ein breiter Ledergürtel, an dem eine Streitaxt hing, vervollständigten den wilden Eindruck.
    Falkayn war sich jedoch darüber im klaren, daß dieser massive Schädel ein Gehirn enthielt, das seinem gleichwertig war. Nur schade, daß es sich nicht auf der Erde entwickelt hatte. Wie sollte eine Verständigung möglich sein, wenn zwei Lebewesen aufeinandertrafen, die völlig verschiedenen Kulturen angehörten?
    Der junge Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er griff nicht nach seinem Strahler, stellte aber fest, daß er das Gewicht der Waffe an seiner Hüfte beruhigend fand. »Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Sie beleidigt habe«, sagte er langsam. »Fremde neigen dazu, aus Unwissenheit Fehler zu begehen. Wollen Sie mir nicht erklären, was ich falsch gemacht habe?«
    Rebos Haltung war weniger gespannt als zuvor. Seine Augen, die weiter als Falkayns in den roten Teil des Spektrums hineinsahen, überprüften die Ecken des Raumes, in denen Falkayn nur dunkle Schatten erkannte. Außer den beiden war niemand in dem Audienzraum anwesend; nur die Glut in dem Kohlenbecken sandte lange Flammenzungen nach oben, die sich flackernd bewegten. Draußen wehte wie immer ein starker Wind.
    »Ja«, sagte der Herzog, »ich weiß, daß Sie nicht absichtlich gegen unsere Gesetze verstoßen haben. Und Sie dürfen nicht daran zweifeln, daß ich Ihnen freundschaftlich gesinnt bleibe, weil Sie im Augenblick mein Gast sind – und weil Sie den frischen Wind mitgebracht haben, der unserem stagnierenden Land so sehr gefehlt hat.«
    »Wir haben ihn vielleicht mitgebracht«, verbesserte Falkayn ihn. »Die Zukunft hängt davon ab, ob wir am Leben bleiben. Und das hängt wieder von Ihrer Hilfe ab.« Gut gesagt! gratulierte er sich. Schuster hätte das hören sollen. Vielleicht würde er mir dann nicht mehr vorhalten, daß ich nie Händler werden kann, solange ich mich so unbeholfen ausdrücke.
    »Ich kann euch aber nicht helfen, wenn ich hingerichtet werde«, antwortete Rebo scharf. »Verbrennen Sie das Ding, sage ich.«
    Falkayn warf einen nachdenklichen Blick auf seine Zeichnung, die einen großen flachen Wagen auf acht Rädern zeigte, der von zwanzig Fastigas gezogen wurde. Auf dem Weg in das herzogliche Schloß hatte er sich immer wieder ausgemalt, wie begeistert der Edelmann sein würde. Er hatte sich nicht
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