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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch
Autoren: Alex Kava
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aus dem eine Nachrichtensendung plärrte. Die beiden starrten wie gebannt auf die Ereignisse des Tages. Eines davon war eine bevorstehende Pressekonferenz zu den Lebensmittelverunreinigungen an den Schulen.
    „Juhu, Donuts!“, kreischten sowohl Mutter als auch Tochter und warfen die Arme in die Luft.
    „Und du hast mir ja meinen Bären mitgebracht!“
    Cari Anne langte nach dem zerschlissenen Stofftier, aber ihr linker Arm hing immer noch an einem Überwachungsgerät. Sie hielt inne, überlegte kurz und versuchte es dann erneut.
    All dieses Zeug diene rein als Vorsichtsmaßnahme, hatte man ihnen gesagt. Bislang waren alle Tests auf die Salmonellenstämme, die infrage kamen, negativ ausgefallen. Der Antibiotika-Cocktail, den Colonel Benjamin Platt vorgeschlagen hatte, schien zu wirken, auch wenn Cari Anne ihn noch weitere zehn Tage lang würde nehmen müssen, nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte.
    „Hübscher Artikel heute“, sagte Julia, als sie die gefaltete Zeitung beiseitelegte und sich ihren Spritzkuchen vom Tablett nahm.
    „Vorsicht! Du hörst dich schon langsam an wie ein Fan.“
    Julia ging dann doch nicht so weit, ihr zu erzählen, dass sie eigentlich schon seit langer Zeit einer war.
    Eine neue Eilmeldung erschien im Fernseher, und Mutter wie Tochter bedeuteten ihr, still zu sein. Sie lächelte nur und setzte sich auf ihren Stuhl.
    Julia sah, dass Mary Ellen Wychulis das Podium betrat, ganz ungezwungen. Sie schien sich nicht das kleinste bisschen unwohl in ihrer neuen Rolle zu fühlen. Sie war aufgestiegen und hatte ihre Chefin ersetzt. Ihr neuer Titel wurde unten eingeblendet: Staatssekretärin für Lebensmittelsicherheit und -kontrolle. Wenn Julia es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, diese Frau habe ihre Stellung schon seit Jahren inne.
    Wychulis erklärte, worin ihrer Meinung nach der Grund für die Erkrankungen der letzten Woche an zwei verschiedenen Schulen lag: Ein Zulieferer des „National School Lunch Program“ hatte eine interne Verunreinigung nicht gemeldet und das Hackfleisch einfach ausgeliefert. Wychulis machte deutlich, dass die betreffenden Produkte nun zurückgerufen würden und dass es, nur um auf Nummer sicher zu gehen, in den nächsten Wochen keine Hackfleischprodukte an Schulen mehr geben würde.
    Julia war beeindruckt, auch wenn sie dachte, dass die große, schlanke Frau, die einmal mit Benjamin Platt verheiratet gewesen war, sich zu sehr nach einer leicht manipulierbaren Regierungsangestellten anhörte, einer Wasserträgerin für ihre Vorgesetzten. Eine Opportunistin, die die Gelegenheit ergriffen hatte und eingestiegen war – vielleicht auch über jemanden hinweggestiegen, wenn es nötig war –, und das alles unter dem Vorwand, dass die Geschäfte so weitergeführt wurden wie bisher.
    Julia musste an die abendliche Versammlung neulich im Ministerium denken, und sie fragte sich, ob man sich wirklichum alles kümmern würde. War tatsächlich die verantwortliche Person zu Fall gebracht worden, oder hatte man Irene Baldwin, die Außenseiterin, die gerade erst in ihr Amt eingeführt worden war, als Sündenbock benutzt? Sie konnte unmöglich für eine Verunreinigung haftbar gemacht werden, die schon entstanden war, bevor sie überhaupt ihre Stelle angetreten hatte. Aber so lief das in der Politik. Wenn Julia sich recht erinnerte, war der Landwirtschaftsminister ein Kumpel des Präsidenten. Nur wenige Tage zuvor war er überglücklich gewesen, die Schuld an der ganzen Misere fälschlicherweise einer armen Küchenkraft anzuhängen.
    Bei dem Treffen war selbst Wychulis besorgt erschienen, ob das alles aus der Welt geschafft werden könnte.
    Julia schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Pressekonferenz. Wychulis sagte gerade, dass sie nicht für Fragen zur Verfügung stehe.
    Natürlich stellen sie sich nicht für Fragen zur Verfügung.
    Aber dann sagte Wychulis zu den Reportern, dass sie ihnen die Person vorstellen wolle, an die sie ihre Fragen würden richten können. Das neueste Mitglied der Regierung. Der Präsident hatte es an diesem Morgen ernannt, um seinen langjährigen Freund, der plötzlich zurückgetreten war, zu ersetzen.
    Nein, bekräftigte Wychulis, es gebe keinen Zusammenhang mit dieser jüngsten Rückrufaktion. Es sei lediglich ein zufälliges Aufeinandertreffen zweier Ereignisse.
    Dann winkte sie jemanden zu ihrer Linken zu sich heran und stellte die neue Ministerin für Landwirtschaft vor: Irene Baldwin.

70.
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