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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch
Autoren: Alex Kava
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den sie in diesem abgeschiedenen Teil des Kiefernwaldes aus dem Boden gestampft hatten. Wahrscheinlich hätten sie hier am Waldrand nicht mal ein verdammtes Feuer machen dürfen. Johnny B. sagte, diese Stelle könne weder von der Straße noch vom Aussichtsturm aus gesehen werden, aber eigentlich spielte das keine Rolle. Dort würde ohnehin niemand sein. Auf der einen Seite war offenes Feld, leicht hügeliges Land mit hohem Gras, das mit einem Stacheldrahtzaun abgegrenzt war. Auf der anderen Seite begann das Gelbkiefern-Dickicht, und ein Stück entfernt schlängelte sich der Dismal River vorbei. Dawson konnte das Wasser hören, wie es leise über die Steine plätscherte.
    Ihre Autos hatten sie etwa eine Viertelmeile entfernt stehen lassen, auf einem verlassenen Parkplatz, zu dem ein Feldweg durch das kniehohe Gras führte. Um in den Wald zu gelangen, hatten sie sogar über den Stacheldrahtzaun klettern müssen. Die kleine Wanderung war nur der erste Test dieser Nacht, allerdings fand Dawson, dass er ziemlich viel über die heutigen Gäste aussagte: wie sie damit zurechtkamen, über die scharfen Stacheln zu steigen, ob sie sich anschließend umdrehten, um dem Nächsten zu helfen, über den Zaun zu kommen oder drunter durch, ob sie sich selbst nach Hilfe umsahen – oder, schlimmer noch, ob sie Hilfe erwarteten .
    Das war noch etwas, wodurch sich Dawson von anderen Gleichaltrigen unterschied: Er beobachtete gerne, wie Menschen aufeinander reagierten, auf ihre Umgebung, und vor allem, wie sie mit Unvorhersehbarem umgingen. Seine Generation bestand doch nur aus hirnlosen Zombies, die einander nachahmten und kopierten, gefangen in ihrer kleinen Welt. Sie beschäftigten sich bloß mit der Frage „Was ist?“, nicht mit „Was wäre, wenn?“. Das war es, was ihn wahrscheinlich am meisten an Johnnys Experimenten interessierte.
    Heute waren nur sieben von ihnen da, und trotzdem standen sie noch in Cliquen herum. Johnny war von den Tussis umgeben, Courtney und Amanda. Sogar Nikki hatte sich heute den coolen Mädels angeschlossen. Das fand Dawson enttäuschend. Er hatte gehofft, Nikki wäre besser. Die drei Mädchen sahen aus, als hingen sie an Johnnys Lippen. Sie lachten, warfen ihr Haar zurück und neigten dann ihre Köpfe, so, wie Mädchen es taten, um ihr Interesse auszudrücken.
    Alles nur Illusion. Jeder, der nur ein bisschen Verstand besaß, konnte sehen, wer hier das Sagen hatte, wer wen kontrollierte.
    Doch das war in Ordnung. Johnny war gut darin, so zu tun, als wäre es sein Klub, seine Party. Als würde er bestimmen, wo es langgeht. Er war Quarterback und Ballkönig, und er hatte Charme, verfügte aber auch über eine ausreichend harte Ausstrahlung, sodass niemand ihn anmachte. Es war besser, Johnnys Freund zu sein, als jemand, der ihn nervte.
    Dawson wusste nicht genau, warum Johnny den Taser wollte. Er hatte ihn nicht nötig. Johnny strotzte vor Selbstbewusstsein, sogar in diesen albernen Cowboystiefeln. Die Rocker-Lederjacke war ein bisschen dick aufgetragen, passte allerdings zu seinem Image. Die anderen nannten ihn Johnny B., und das war der coolste Spitzname überhaupt. Dawson hatte gehört, wie sogar Mr Bosh bei einem Footballspiel „Johnny be good“ gerufen hatte, und dann hatte er gelacht, als erwarte er alles andere von seinem Sohn, als brav zu sein, und als fände er das völlig in Ordnung.
    Der erste Lichtblitz kam geräuschlos. Jeder drehte sich um, aber nur kurz.
    Der zweite Blitz zerbarst über ihren Köpfen. Dawson dachte zuerst, es wäre ein Gewitter, doch vor seinen Augen verschwamm er zu blauen und violetten Adern, die sich über den Baumwipfeln ausbreiteten wie Risse im Abendhimmel.
    Dawson hörte die anderen „Ohh“ und „Ahh“ ausrufen und musste lächeln. Sie waren auf einem Trip und genossen das Feuerwerk. Bei ihm war es wohl auch schon so weit.
    Früher hatte er kein Salvia genommen, aber Johnny hatte gemeint, es sei besser als alles aus dem Medizinschrank zu Hause und viel stärker als normales Gras. Johnny sagte, es sei „enorm cool“, wie ein „Rock-’n’-Roll-Feuerwerk, das dir das Gehirn zerquetscht und dich glauben lässt, du könntest fliegen“.
    Das Zeug sah ja harmlos aus. Grün, von der gleichen Farbe wie normaler Salbei, mit breiten Blättern. Es hätte einfach in einem der alten Blumenbeete seiner Mutter wachsen können. Verdammt, wie er seine Mom vermisste! Dawson drückte etwas mehr von den Blättern zu einem kleinen Päckchen zusammen und steckte es in den Mund,
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