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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut
Autoren: Jonathan Kellerman
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das nicht glauben, nicht wahr?«
    »Ob ich dir glaube oder nicht, ist nicht das Problem, Gene. Die Polizei weiß -«
    »Oh, nein -«
    »Oh, ja.«
    »Aber was könnten sie denn wissen?«
    Ich sagte nichts.
    »Lass mich zuerst erklären, Alex. Bitte. Okay?«
    »Ich kann dir nichts versprechen«, sagte ich.
    »Du hast selbst gesagt, wenn ich dir nicht von ihr erzählt hätte -«
    »Aber du hast es getan, Gene. Auf irgendeiner Ebene wolltest du, dass ich der Sache nachgehe.«
    »Oh«, sagte er. Seine Augen verengten sich, und eine Faust kroch näher zu mir. »Jetzt liege ich auf der Couch. Das ist Bockmist.«
    Ich griff nach dem Türknauf.
    »Warte! Du kannst hier nicht so reinplatzen und erwarten, dass ich einfach kapituliere -«
    »Ich erwarte gar nichts«, sagte ich. »Und offen gestanden hat dein Seelenfrieden für mich im Augenblick keine besondere Priorität. Ich habe gerade einige Zeit mit einer Frau verbracht, die seit mehr als einem Jahr einen Alptraum durchmacht. Sie weiß es, ohne es zu wissen. Genau wie du es mir gegenüber beim letzten Mal formuliert hast: ›der absolute Alptraum der Eltern‹. Und stell dir vor! Sie hat etwas mit dir gemeinsam, Gene. Ihr beide verabscheut das Wort. Schlusspunkt. Du hältst es für Psycho-Gewäsch der Pop-Ära, aber sie hat ein viel tieferes Verständnis von der Unzulänglichkeit des Begriffs -«
    »Alex, bitte -«
    »Sie erwartet kein Wunder, Gene. Aber sie würde gern Abschied nehmen, von Zeit zu Zeit das Grab ihrer Tochter besuchen, vielleicht ein paar Blumen darauflegen.«
    Er ließ den Kopf wieder sinken, bedeckte die Augen mit den Händen. »Oh, Herr im Himmel - ja, ich wollte, dass du der Sache nachgehst. Ich nehme an - ich habe keine Ahnung, welcher Teufel mich geritten hat. Ich hatte nicht vor, irgendwas zu sagen, und dann fingst du an, mir von dem anderen Mädchen zu erzählen - die ich wirklich nicht kannte, das ist die Wahrheit, Alex. Und die Synapsen fingen an zu klicken - Erinnerungen, es hat die ganze Zeit hier drin gesessen« - er berührte seinen Bauch - »aber trotzdem, was zum Teufel hab ich mir dabei gedacht. Weil ich mich an dich vom Graduiertenstudium erinnere. Die Bulldogge hat man dich hinter deinem Rücken genannt - Scherze darüber gemacht, dass du ein gottverdammter Zwangscharakter wärst. Du lässt absolut nichts auf sich beruhen. Was hab ich mir dabei gedacht, verdammte Scheiße!«
    Er riss an seinen Haaren. Als er damit aufhörte, sagte ich: »Vielleicht hast du gar nicht gedacht. Schuld kann hervorragend motivieren. Vielleicht hast du nur gefühlt.« Ich wusste, dass er noch etwas mit Agnes Yeager gemeinsam hatte. Die große Leere. Löcher, die nicht gefüllt werden konnten.
    »Scheiße«, sagte er. »Die Polizei weiß schon Bescheid?«
    Ich nickte. Das war gelogen, aber er hatte es nicht besser verdient. Und diese großen Hände konnten auf engem Raum einiges Unheil anrichten.
    »Ich hab nicht - okay, sieh mal, gib mir nur die Chance, es zu erklären. Passiert ist Folgendes: ein Unfall, ein gottverdammter blöder Unfall, okay?«
    Ich stand da.
    »Scheiße. Du kannst eine Sphinx sein.«
    »Ich höre, Gene.«
    »Richtig.« Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Die Achseln seines Hemdes waren nass, und rosarote Kopfhaut schimmerte hindurch, wo er Furchen durch seine Haare gezogen hatte. »Yeah, ich hatte - wir hatten etwas miteinander. Und halt mir deswegen keinen Vortrag. Sie hat mich angemacht - klar, ich hätte mich sträuben können, aber das hab ich nicht getan. Ich wollte nicht. Warum sollte ich mich sträuben? Marge und ich haben nie - ach, was soll's, du willst keine Ausreden hören. Die Wahrheit ist, sie war die schärfste Braut, die mir je über den Weg gelaufen ist. Ich bin seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet, und ich war im Grunde ein treuer Ehemann. Aber dieses Mädchen - Shawna -, sie war etwas Besonderes. Sie hatte eine Ausstrahlung - sie war das Mädchen, das jeder Junge auf der High School haben will, aber nur bekommt, wenn er ... Nicht nötig, darauf näher einzugehen. Wir hatten etwas miteinander, es beruhte auf Gegenseitigkeit, sie war wahnsinnig verliebt in mich - behauptete sie jedenfalls. Ich wusste, das war Pferdescheiße, es war eine Affäre - sobald sie kapierte, dass ich Marge nicht verlassen würde, würde sie dem ein Ende setzen. Aber in der Zwischenzeit... sie konnte Sachen machen mit ihrer ... Außerdem war sie verdammt klug, nicht nur ein Körper. Wir konnten miteinander reden - sogar in ihrem Alter hatte sie
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