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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut
Autoren: Jonathan Kellerman
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geben, und trotzdem noch ... am Leben sein konnte. Alles, was ich jetzt noch will, ist erfahren, was passiert ist. Wissen, wo sie ist, und ihr ein anständiges christliches Begräbnis geben. Die Psychologin, mit der ich gesprochen habe - Dr. Yoshimura -, die sagte, jeder mache ein großes Theater um den Schlusspunkt, den man hinter eine solche Erfahrung setzen soll. Aber das wäre eine törichte Erfindung von Leuten, die Bücher schreiben - so etwas gäbe es nicht, wie könne man je so etwas heilen.« Sie klopfte sich auf die Brust. »Es hinterlässt ein großes Loch, das nie gefüllt werden kann, aber man versucht zu erfahren, was man kann, und wenn man Erfolg hat, wird es vielleicht ein bisschen besser. Sie war wunderbar. Yoshimura. Ich hab die Therapie bei ihr gemacht, weil ich eines Tages zusammengebrochen bin - mir wurde schwarz vor Augen, und ich fiel zu Boden. Jeder dachte, ich hätte einen Herzinfarkt, sie haben jede Untersuchung mit mir veranstaltet, die die moderne Medizin kennt, haben rausgefunden, dass ich einen hohen Cholesterinspiegel habe, aber mein Herz war immer noch okay. Am Ende sagten sie, es wären die Nerven. Angst. Dr. Yoshimura hat mir beigebracht, wie man sich entspannt. Ich wurde Vegetarierin und hörte mit dem Rauchen auf. Von Dr. Yoshimura konnte ich es akzeptieren, dass ich mich entspannen sollte, weil sie mir nicht dauernd riet, ich sollte einen Schlusspunkt hinter die Sache setzen wie alle anderen. Das war das Problem mit Mr. Riley. Er war richtig entspannt, außer wenn die Sprache auf wirkliche Dinge kam. Wie der Umstand, dass er nichts über Shawna in Erfahrung gebracht hatte - er tat so, als hörte er zu, aber ich wusste, dass er nicht zuhörte. Ich hab ihn sogar nach der Versetzung in den Ruhestand angerufen, weil ich der Meinung war, dass er mir noch was schuldete. Und jetzt ist er nicht mehr da ... Hier, mein Auto steht auf der Swall.«
    Wir bogen in eine von Bäumen gesäumte Straße, in der Häuser mit Luxuswohnungen standen, und sie führte mich zu einem Nissan Sentra, der einmal rot gewesen und jetzt zu einem staubigen Rosa verblasst war. Der Kofferraum des Wagens war mit Blättern übersät.
    »Höchstparkdauer zwei Stunden«, sagte sie und zeigte auf das Parkschild, »aber normalerweise prüft das niemand nach. Manchmal parke ich auf dem Angestelltenparkplatz unter dem Hotel, aber manchmal ist er auch voll. Und diese unterirdischen Dinger mag ich nicht. Gruselig.« Sie schloss den Wagen auf. »Würde es Ihnen was ausmachen, hier drinnen zu sitzen? All meine Shawna-Sachen sind hier drin.«
    Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, und sie machte den Kofferraum auf und wieder zu und kam mit einer quadratischen Schachtel mit der Aufschrift KÜCHENGERÄTE zurück, die mit einem gelben Band zugeschnürt war.
    »Ich weiß, ich sollte sie nicht im Wagen aufbewahren«, sagte sie, »aber ich hab die Sachen gern dabei. Manchmal hole ich mir ein Sandwich und komme hierher und sehe mir die Sachen an. Dr. Yoshimura hat gesagt, das wäre in Ordnung.«
    Sie sah mich fragend an. Ich nickte.
    Sie zog ein schmales pinkfarbenes Satinalbum aus dem Karton und gab es mir. »Das war Shawna, als sie klein war.«
    Dreißig Seiten Schnappschüsse vom Babyalter bis zum sechsten Schuljahr. Hauptsächlich Einzelaufnahmen von einem schönen Mädchen mit goldenen Haaren. Von klein auf hatte Shawna Yeager ein Gespür für die optimale Pose gehabt.
    Agnes Yeager war auf einer Hand voll Fotos vertreten, dunkelhaarig, unattraktiv. Ein paar andere - frühe, verblasste Fotografien - zeigten einen hoch gewachsenen hellblonden Mann mit dem Gesicht eines Filmstars, das von abstehenden Henkelohren beeinträchtigt wurde. Auf den Bildern, wo er und Agnes zusammen erschienen, rauchten beide. Shawna war umgeben von liebevollem Lächeln und blauem Dunst.
    »Shawnas Dad?«, fragte ich.
    »Mein Bob. Er war Fernfahrer, zuerst selbstständig, dann für die Vons-Märkte. Er ist von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden, als Shawna vier war. Er saß nicht mal am Steuer. Er ging von der Toilette eines Fernfahrerlokals in Indio zu seinem Sattelschlepper. Shawna konnte sich nicht an ihn erinnern - auch als er noch lebte, war er nicht viel zu Hause. Aber er war ein liebevoller und ein männlicher Mann. Er konnte seine Gefühle nicht gut zum Ausdruck bringen, aber ich habe nie ein böses Wort von ihm gehört. Und er hat Shawna geliebt - ihr Aussehen hatte sie von ihm, was Haarfarbe und Größe angeht. Er war
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