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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut
Autoren: Jonathan Kellerman
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einsfunfundneunzig, ein großer Basketballstar auf der High School. Shawna wurde einsfünfundsiebzig. Ich bin einsachtundfünfzig.«
    Als ich mir Bob Yeagers Gesicht genauer ansah, fiel mir etwas auf. Ich behielt es für mich, gab ihr das Album zurück, woraufhin sie mir ein anderes reichte, das größer und blau eingebunden war.
    »Das sind ihre Schönheitswettbewerbe«, sagte Agnes Yea- ger. »Artikel aus Lokalzeitungen, jedes Mal, wenn sie gewonnen hatte. Ich hab sie nie zu einem davon gedrängt. Als sie zum ersten Mal die Wahl zur Miss America im Fernsehen sah, hat sie gesagt: ›Mommy, das will ich auch machen.‹ Da war sie vier.«
    Ich blätterte die Ausschnitte durch, ertrug ein Lächeln nach dem anderen.
    Agnes Yeager sagte: »Ich weiß, dass Ihnen hiervon nichts helfen wird, aber vielleicht das hier - die Artikel, die dieser junge Reporter von der College-Zeitung geschrieben hat. Er war wirklich an Shawna interessiert, hat eine Menge Artikel geschrieben -«
    »Adam Green.«
    »Sie haben mit ihm gesprochen?«
    »Ja.«
    »Hat er Ihnen von dem Verdacht erzählt, den er in Bezug auf Shawna hatte?«
    »Was für ein Verdacht?«
    »Dass sie sich ausgezogen und für schmutzige Bilder Modell gestanden hätte - er hat es nicht ausdrücklich gesagt, er dachte, er wäre einfühlsam, aber nach den Fragen, die er stellte, war mir klar, worauf er hinauswollte. Also wurde ich natürlich wütend und habe das Gespräch beendet und keine weiteren Anrufe von ihm entgegengenommen. Später hab ich mich dann gefragt, ob das ein Fehler war. Weil dieser Junge der Einzige war, der daran interessiert zu sein schien, was mit Shawna passiert war. Und obwohl ich beleidigt war ...«
    »Glauben Sie, es wäre möglich, dass Shawna Modell gestanden hat?«
    Ihre Schultern hoben sich und sanken wieder herab. »Ich wünschte, ich könnte sagen, auf keinen Fall. Aber die Zeit vergeht, und man wird klarer im Kopf - die Wahrheit ist, Shawna liebte es, wie sie aussah. Liebte ihren Körper. Eines Tages kam sie mit einem alten Spiegel nach Hause, den sie bei einem Trödler gekauft hatte, und hängte ihn in ihrem Schlafzimmer aufeinen riesigen Spiegel. Sie war vierzehn. Ich hab ihr nicht widersprochen - man sagt ja auch, dass man sich gut überlegen sollte, weswegen man sich streitet. Außerdem legte man sich nicht gerne mit Shawna an. Sie hatte ihren eigenen Kopf. Die Wahrheit ist, wenn sie sich alle vier Wände mit Spiegeln hätte voll hängen können, hätte sie es getan. Wahrscheinlich meine Schuld, denn es ist kaum ein Tag vergangen, an dem ich ihr nicht gesagt habe, wie toll sie aussah. Und wenn ich es nicht getan habe, haben es andere getan.«
    »Hatte sie irgendwelche Freunde, bevor sie nach L. A. kam?«
    »Das Übliche. Jungs gingen bei uns ein und aus, und sie entsorgte sie wie den Hausmüll. Bei einem von ihnen - diese Bohnenstange namens Mark, ein Basketballspieler wie ihr Dad - schien es etwas ernster zu sein, und ich fragte sie, ob das ihr richtiger Freund wäre, und sie lachte und sagte: ›Nein, Mom.‹ Wissen Sie, in dem Ton, in den sie manchmal verfallen? ›Nein, Mom. Er ist nur ein guter Freund.‹«
    »War Mark in ihrem Alter?«, fragte ich.
    »Nein, er war ein paar Jahre über ihr, die älteren Jungs waren immer hinter ihr her, und es beruhte auf Gegenseitigkeit - sie mochte es, wenn sie reifer waren, wenn sie alt aussahen für ihr Alter. Und groß, richtig groß. Warum fragen Sie nach Mark?«
    »Ich versuche nur ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie gedacht hat.«
    »Sie glauben, weil sie ihren Dad verloren hat, war sie auf der Suche nach einem Dad, stimmt's? Jemand, der älter war und groß. Dass sie vielleicht ein älterer Mann gebeten hat, für ihn Modell zu stehen, und sie hat's gemacht, weil sie in dem Punkt verletzlich war.«
    Ich starrte sie an.
    »Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken«, sagte sie. »Also, habe ich Recht?«
    »Das ist mir durch den Kopf gegangen.«
    »Mir auch. Und Dr. Yoshimura ebenfalls. Sie und ich sind alle diese Möglichkeiten durchgegangen, sie hat mir geholfen, alles zu analysieren. Aber dass Shawna zu Hause um einiges ältere Freunde hatte, glaube ich nicht. Sie hatte meistens gar keine Zeit für Verabredungen, konzentrierte sich auf ihre Wettbewerbe und darauf, aufs College zu kommen - das ist das Besondere an Shawna, sie nahm die Schule immer sehr ernst. Ich musste sie nie zum Lernen anhalten. Und wenn sie keine Eins bekam, war es eine echte Tragödie, und sie stritt sich mit dem Lehrer.« Ein
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