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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse
Autoren: Heinz Strunk
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gehabt haben. Schwer vorstellbar, wie er damit die Tasten bedienen wollte. Auf dem Weg zurück zur Bühne fing er sofort an zu pfeifen. Nachdem ich ausgepackt hatte, begannen wir mit dem Soundcheck.
    «Und, was spielen wir? Wie immer?», fragte Norbert.
    Gurki schaute mich an.
    «Hast du ein bestimmtes Stück?»
    «Nö, nö, macht man ruhig, wie ihr immer macht.»
    «Okay, dann
Hello Dolly
. Torsten, zähl an!»
    Tacktacktacktack.
    Im ersten Durchgang spielte Gurki das Thema auf der Gitarre. Schon nach wenigen Takten war mir klar, was die Stunde geschlagen hatte. Der Bandleader musste sich enorm konzentrieren, um die Melodie einigermaßen fehlerfrei zu spielen, außerdem hatte er überhaupt kein Rhythmusgefühl. Norberts Bass und Torstens Schlagzeug rumpelten, ohne Bezug aufeinander zu nehmen, unbeholfen vor sich hin. Dabei guckten sie sich die ganze Zeit angestrengt an und taten so, als ob es so richtig
grooven
würde. Jens hatte bei seinem Korg Polysix Synthesizer einen ganz abscheulich schrillen Streichersound eingestellt und griff mit seinen zu kurzen Fingern ständig daneben. Klöter klöter klöter, schrammel schrammel schrammel, matsch matsch matsch. Auch der Sound war eine Katastrophe.Katzenmusik. Besonders überraschen konnte mich das nicht,
Holunder
hatten ähnlich geklungen. Und dem Publikum war es immer seltsam egal gewesen. Entweder, weil sie es nicht anders gewohnt waren, oder vielleicht auch, weil das dilettantische Geklöter bewies, dass die Band wirklich live spielte. Nach dem ersten Durchgang bedeutete mir Gurki durch Kopfnicken, zu übernehmen. Ich spielte das Thema auf der Flöte und improvisierte einen zweiten Durchgang. Dann griff ich zum Altsaxophon und gniedelte, was das Zeug hielt. Die neuen Kollegen waren beeindruckt.
    «Super Saxsolo.»
    «Ich fand die Flöte aber auch gut, fast noch besser.»
    «Und jetzt mal einen mit der Rotzkanne.»
    Mit der Rotzkanne war das Tenorsaxophon gemeint.
    «Du hängst dich einfach rein!»
    «Sie sind erstens sehr teuer, zweitens ganz neu, und drittens trägt so was kein anderer Boy   … blaue Wildlederschuh.»
    Blue Suede Shoes
in der Version von Paul Kuhn. Ich fand den deutschen Text lustig und hängte mich rein.
Tiffanys:
begeistert! Dann wurde der mir nicht geläufige Schlager
Der Morgen danach
von Tommy Steiner intoniert. In F-Dur .
    «Der Morgen danach,
    er wird es entscheiden,
    wer von uns beiden, er oder ich?
    Nur du kennst die Antwort auf diese Frage.
    Ich wünsch mir,
    dass du dich entscheidest für mich.»
    Ich entschied mich für die Flöte. Pfeif, tirilier, Sechzehnteltriolen, Zweiunddreißigstel, ich wollte sie schwindlig spielen.
    «Ein Leben mit dir, das möchte ich erleben, Tage voll Sonnenschein, an deiner Seite, da möchte ich leben, möchte ich lieben und noch viel mehr.»
    Tiffanys:
begeistert! Zu Recht. Schließlich hatte ich entscheidendeTeile meiner Jugend dem Erlernen von Blasinstrumenten geopfert. Während sich meine Schulkameraden mit Alkoholexperimenten, Fußball und Heavy Petting die Zeit vertrieben, hatte ich in den Räumen des Seniorentreffpunkts Harburg-Rönneburg drei Stunden täglich Querflöte und Saxophon geübt. Mindestens. Manchmal auch vier oder fünf.
    Alles, um jetzt mit
Tiffanys
in Moorwerder zu spielen. Alles für die Katz. Katz und Maus. Katzenjammer. Und wieder Refrain.
Der Morgen danach, er wird es entscheiden
… In einiger Entfernung zur Bühne stand eine Rotte Schützenbrüder, die uns argwöhnisch beäugten. Aus ihren Reihen löste sich plötzlich ein schwitzender Talgbrocken und quoll uns erstaunlich behände entgegen.
    «Sagt mal,
Klaus und Klaus
, das habt ihr ja wohl drauf!?»
    Gurki setzte sofort sein Vertretergesicht auf und schüttelte dem sichtlich überraschten Rohling die Hand.
    «Einen wunderschönen guten Abend, mein Name ist Beckmann, erst einmal meinen herzlichen Glückwunsch.»
    Aha, ich begriff. Der neue Schützenkönig. Gurki sülzte weiter.
    «Sie meinen doch bestimmt
An der Nordseeküste
. Natürlich haben wir das drauf, wir spielen das immer mit zwei Akkordeons, hahaha.»
    Dieser letzte Teil der Information drang nicht mehr recht zur Majestät durch.
    «Jaja, dann ist ja alles klar. Und nicht so laut. Einmarsch ist um halb neun, und ihr spielt erst mal auf jeden Fall nur zwei Tänze, damit alle rumkommen.»
    Gurki nickte, und der grüne Mann trollte sich wieder.
    «Alles klar, dann erst mal ein Bierchen!»
    Endlich. Ich hatte schon befürchtet, bei
Tiffanys
herrsche Alkoholverbot. Wir
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