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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben
Autoren: Theresa Baeuerlein
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Recht: Das Image der Fleischbranche ist nicht gut. Laut Untersuchungen des Göttinger Professors für Lebensmittelmar keting Achim Spiller ist ihr Ruf noch schlechter als der von der Süßwarenindustrie, von Banken und von Chemiekonzernen. ¹²⁸ Das liegt zum einen an den großen Skandalen um Rinderwahn, Geflügelpest und Gammelfleisch. An Horrorberichten aus Schlachthäusern, wie in Jonathan Safran Foers »Tiere essen«, aber auch an Meldungen wie der Schätzung des Veterinärs Klaus Tröger, Leiter des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Fleisch am Max-Rubner-Institut in Kulmbach, derzufolge bis zu ein Prozent der in Deutschland geschlachteten Tiere wegen Fehlern bei der Tötung einen qualvollen Tod erleiden. Das sind 500 000 Schweine im Jahr. Auch Rinder erleiden dieses Schicksal: Laut einem Bericht der Tagesthemen werden jährlich 200 000 Tiere bei vollem Bewusstsein verbrüht oder zerteilt. ¹²⁹ Ein Prozent aller Schlachttiere, das könne er sich nicht vorstellen, sagt Festag. Er will, dass die Verbraucher wissen, dass man Fleisch auch ordentlich produzieren kann. Essen will der Deutsche es ja, so viel steht fest. Deutschland schlachtet im Jahr 56 Millionen Schweine. Das entspricht einem Selbstversorgungsgrad von mittlerweile 110 %. Wie soll man so viele Tiere töten, ohne dass Fehler passieren?
    Eine perfekte Schlachtmethode gibt es nicht. Zwar sieht die deutsche Schlachtverordnung vor, dass die Tötung schmerzlos sein, das Tier also betäubt werden muss, bevor man ihm die Kehle durchschneidet. Die Betäubung erfolgt, je nach Betriebs- und Tierart, mit CO 2 , Bolzenschuss oder Elektrozange und soll Schmerz und Todesangst so weit wie möglich aus dem Schlachtprozess heraushalten. Das klappt fast immer – aber eben leider nur fast. Fehlbetäubungen sind eine der grässlichsten Dinge, die in dieser Branche passieren können. Nicht ordentlich betäubt, wachen die Tiere während des weiteren Schlachtprozesses auf – entweder im 86 Grad heißen Wasserbad, in das sie nach dem Entbluten getaucht werden, oder im schlimmsten Fall sogar noch später während ihrer eigenen Zerlegung. In der EGO-Schlachthof GmbH wechselt der Mann mit der Elektrozange alle anderthalb Stunden den Posten, der Nächste kommt mit einer neuen Zange. Geht etwas schief, gibt die Zange keinen Strom ab, oder sitzt sie zu kurz am Kopf, ertönt ein Signal. Jede Fehlbetäubung wird vermerkt. Fehler können trotzdem immer passieren. Grö ßere Betriebe als die EGO-Schlachthof GmbH arbeiten mit Koh lendioxid: Die Tiere atmen zehn bis 15 Sekunden lang CO 2 ein, werden ohnmächtig. Die Methode gilt als sicherer als die Elektrozange, allerdings leiden die Tiere dabei sekundenlang unter Erstickungsangst. Viele Tierschützer lehnen die CO 2 -Betäubung deshalb ab. Fehler können aber auch nach der Betäubung beim Abstechen der Tiere passieren, wenn das Messer des Stechers die großen Blutgefäße nahe dem Herzen verfehlt.
    Um den Tieren Leid zu ersparen, ist das Wichtigste bei einer Schlachtung daher, dass die Arbeiter, welche die Tiere betäuben und töten, genug Zeit dafür haben. Das ist bei rasend schneller Fließbandproduktion, wie sie in den großen Betrieben, welche das meiste und billigste Fleisch produzieren, fast unmöglich. Zu viele Tiere müssen zu schnell geschlachtet werden. Die Stecher, also diejenigen, welche den entscheidenden Schnitt am Hals des Tiers anbringen, haben pro Tier oft nur etwa zwei Sekunden Zeit. Dass das nicht gut gehen kann, leuchtet ein.
    Im EGO-Schlachthof geht das Schlachten vergleichsweise langsam vonstatten. Für mich, die in dieser Hinsicht nichts gewöhnt ist, geht es trotzdem viel zu schnell. In den wenigen Minuten, in denen ich mit Herrn Festag hinter der Tür stehe, die zu dem kleinen Reich des Schlachters führt, sterben mindestens zehn Schweine, es könnten auch mehr sein, irgendwann schaue ich nicht mehr hin. Das Sterben der Tiere macht mich nervös, aber ich scheine die Einzige zu sein. Trotz des Geruchs von Blut und Fleisch ist sowohl das Schwein, dem es gerade an den Kragen geht, als auch die anderen, die quasi in der Schlange stehen, bemerkenswert gelassen. Sie untersuchen die fremde Umgebung, einige wirken dabei aufgeregter als andere, aber keines quiekt oder schreit, keines wirkt, als hätte es Angst. In der Luft hängt ein Blutgeruch, den ich schwer erträglich finde. Ich wundere mich laut darüber, dass die Schweine der Geruch nicht zu stören scheint. »Die Tiere merken nichts«, sagt
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