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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein
Autoren: Bernd Ruland
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vorigen Woche gewesen sein! Nein, nein, es ist tatsächlich schon so lange her. Fünf Jahre. Die Zeit ist hin. Sie kommt nicht wieder.
    Weißt Du noch, Hellmut, wie wir oben auf dem Berge lagen und wir uns die Sonne ins Gesicht brennen ließen? Wie wir dabei Zigarette um Zigarette rauchten und über unsere Zukunft sprachen? Weißt Du noch, wir wollten denselben Beruf ergreifen, da gab es viel zu ratschlagen... Ja, und da riefen vom Rhein her lustige Sirenen zu uns herauf. Wir sprangen auf. Wir waren damals so herrlich frech und jung. Wir gingen hinunter ins Dorf, wo der letzte Kirmestag gefeiert wurde.
    Weißt Du noch, Willi, wie wir ins Lehrerzimmer geschlichen sind und vergeblich nach den Prüfungsarbeiten gesucht haben? Fühlst Du noch die Schweißperlen, die an unserem ganzen Körper hinunterliefen, als plötzlich die Tür auf ging und... zum Glück nur die Putzfrauen hereinkamen?
    Weißt Du noch, Erich, wie wir uns um das hübsche Mädel aus der Sternstraße gezankt haben? Du wolltest mir nie verzeihen, daß ich damals — weiß Gott, wie
    _ Sieger geblieben bin. Und doch hast Du mich drei
    Wochen (oder waren es nur drei Tage?) später nach Hause gebracht, weil der billige Wein gar zu köstlich war und sich die Welt um mich her gar zu schnell drehte... Weißt Du noch, wie ich wenige Tage später in der Feuerwehruniform ein ganzes Dorf alarmiert und auf der Polizeiwache den ganz Nüchternen zu spielen versucht habe?
    Weißt Du noch, Fritz, wie wir den Hoi, unseren guten Lateiner, so geärgert haben, daß er sich weigerte, in unserer Klasse zu unterrichten?
    Weißt Du noch, wie einer von uns nach Köln fuhr und dort mit einer hübschen Blonden in einem Hotel... O Gott, was hätte das geben können, wenn... wenn... Nun, erinnerst Du Dich noch?

    ☆

    Wie unverschämt jung wir damals waren! Wie frech, wie mutig, wie bange, wie schlau, wie dumm, wie groß, wie klein, wie faul, wie fleißig und — grausam wir damals waren! Jawohl: grausam, auch das! Schüler sind das oft, wenn es um Lehrer geht.
    Bei uns ging es oft um die Lehrer. Wir haben sie viel geärgert. Aus reiner Freude, aus Übermut, aus Frechheit. Sie hatten uns nichts getan. Und doch ärgerten wir sie. Wie dumm wir damals waren! Wir nannten es »Heldentaten“, wegen ungebührlichen Benehmens ws Klassenbuch eingetragen zu werden. Wir bildeten
    uns ein, uns alles erlauben zu können, weil unsere Leistungen weit über dem Durchschnitt lagen.

    ☆

    Haben Sie nicht über die Schule geschimpft, verehrter Leser, und Sie, verehrteste Leserin? Wer jemals auf der „Penne“ war, hat eigentlich dasselbe erlebt wie irgendeiner seiner lieben Zeitgenossen. Wer je die Schulbank drückte, entsinnt sich gerne dieser Zeit.
    Sie, verehrter Leser, hätten doch ganz gut in unserer Klasse sitzen können; wir hätten uns bestimmt sehr gut vertragen; wenn Sie ein guter Mathematiker gewesen wären, hätten Sie mich gewiß abschreiben lassen. Sie hätten die „Pauker “ mit geärgert und über sie geschimpft ... Und jetzt möchten Sie ebenso gerne wie ich diese ganze köstliche Zeit noch einmal erleben. Und Sie, teure Leserin, hätten Sie nicht das Lyzeum in unserer Stadt besuchen können? Zuerst hätten wir uns schüchterne Blicke zugeworfen, dann eines Tages gemeinsam die Chorstunde geschwänzt und in dieser Zeit eine Tasse Kaffee getrunken. Und dann wäre es sehr schnell geschehen, daß auch ich zu später Abendstunde mit einer jungen Dame auf der Mittelstraße gesehen worden und am nächsten Morgen von einem Pauker für höchst unreif erklärt worden wäre. Das wäre dann Ihre Schuld gewesen, teure Leserin... Leider war es nicht so. Wir kennen uns nicht.
    Nun lesen Sie das, was ich von einer Klasse und ihren Lehrern erzählen will. Vielleicht finden Sie sich irgendwo wieder. Möglich, daß ich Ihnen einen Pauker vorstelle, den Sie schon kennen; aus Ihrer eigenen Schulzeit.
    Sie fragen, ob es die Geschichte meiner Klasse ist? Ja und nein. Gewiß, mancher meiner alten Schulfreunde steht fetzt vor mir — in diesem Augenblick, da die Buchstabenhämmerchen meiner Schreibmaschine Wort um Wort auf das weiße Papier schlagen. Mancher meiner Pauker steht hinter mir, lachend, drohend, mit und ohne Notizbuch, ganz dienstlich oder auch privat. Aber ich will mich von keinem „leiten “ lassen. Sie sollen mir nicht Modell stehen. Sie sollen mir lediglich einen Tip geben. Sie sollen mir nur auf die Finger sehen, daß ich alles richtig schreibe — so, wie wir es wirklich erlebt
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