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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition)
Autoren: Heinz Strunk
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ist. Zwei Wochen Sommerfrische an der Ostsee mit Vollpension für nicht mal vierhundert Mark pro Nase, das ist konkurrenzloses Kirchenangebot, gibt’s sonst nirgends. Fiedlers sind unfassbar fett, sie sehen aus wie zwei Pilze, ein großer und ein mittlerer. Herr Fiedler hat das Gesicht eines Schafbocks, Frau Fiedler auffallend kurze Arme, an denen riesige Hände kleben, groß wie Maulwurfpfoten. Ab und an treffe ich sie im EKZ, stumm und schwitzend schleppen sie überladene Einkaufstüten mit sich herum. Seltsam zerlumpt und halb betäubt sehen sie immer aus. Ihre Hände riechen nach Geld und Marmelade, stell ich mir jedenfalls vor. Aber ich hab gerade andere Probleme, als mir den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Hände wie riechen und wer wie oft mit war. In Herrn von Roths Gesicht lese ich ein gewisses Misstrauen:
    «Wie viele seid ihr diesmal eigentlich insgesamt?»
    «Ich weiß nicht. So fünfzig rum.»
    «Fünfzig nur? Vor ein paar Jahren waren es noch siebzig.»
    Mit gespielter Entrüstung tritt er gegen den Rasenmäher. Aua, denke ich.
    «Mmhh.»
    So, Herr Küster, Schnauze jetzt, der Rasen mäht sich schließlich auch nicht von allein. Doch Herr von Roth stiert mich mit seinem rotbramsigen Mondkuchengesicht leutselig an und fährt fort mit dem Verhör:
    «Hast du schon gehört, dass es wahrscheinlich die letzte Saison ist? Das Haus soll bald abgerissen werden!»
    So ein Quatsch. Das Gebäude gehört dem Kirchenkreis, es kann gar nicht abgerissen werden.
    «Ach. Wusste ich nicht.»
    «An der Stelle soll ein Hotel gebaut werden. Scharbeutz will in Zukunft hoch hinaus, so wie Timmendorf.»
    Scharbeutz hoch hinaus, da lachen ja die Hühner, und noch nicht mal die. Das Einzige, wofür Scharbeutz bekannt ist, ist das Irrenhaus. «Pass bloß auf, sonst kommst du nach Scharbeutz!» So wie es in Hamburg «Pass bloß auf, sonst kommst du nach Ochsenzoll» heißt. Bloß dass Hamburg noch mehr zu bieten hat als ein Irrenhaus. Scharbeutz aber nicht. Scharbeutz ist ein total runtergeranztes Kaff, das weiß selbst ich mit meinen sechzehn Jahren. Vielleicht bauen sie ja noch ein zweites Irrenhaus. Aber das ist mir vollkommen egal, genauso, wie es mir egal ist, dass ich im zwölften Stock eines Hochhauses lebe, so ziemlich dem hässlichsten in der ganzen Gegend. Umgangssprachlich heißt es «Nuttenbunker», weil in den oberen Stockwerken angeblich mal Nutten ihren Geschäften nachgegangen sein sollen, aber das ist lange her, schade eigentlich, dann wär wenigstens mal was los. Als Kind ist es einem in Wahrheit vollkommen egal, wo man wohnt, man nimmt die Dinge, wie sie sind, und macht das Beste draus, Bauernhof oder Nuttenbunker spielt nicht die geringste Rolle, egal, egal, egal. Herr von Roth fummelt sinnlos am Rasenmähergriff herum.
    «Und auf das Vogelschutzgebiet sollen Nurdachhäuser aus der DDR hin, wie in Haffkrug.»
    Nurdachhäuser aus der DDR. So ein Schwachsinn! Das denkt er sich doch alles nur aus, warum, weiß ich auch nicht. Vor lauter Verzweiflung sage ich gar nichts mehr und schaue stumm und mit extra gequältem Gesichtsausdruck auf den ungemähten Rasen. Herr von Roth unternimmt einen letzten Versuch:
    «Jaja, so ist das.»
    Keine Reaktion.
    «Na gut, Thorsten, ich wünsch dir jedenfalls viel Spaß.»
    «Danke schön, Ihnen auch.»
    Er nimmt ächzend seinen rostigen Mäher und beginnt, die vordere Seite zu beackern. Määäh. Määähh.
    Ich warte noch eine endlose Minute, dann reiße ich aus einem Landserheft (Hauptfeldwebel Ernst Kruse) ein paar Seiten heraus, kneife mit letzter Kraft die Arschbacken zusammen und watschle in Kackquetschhaltung erneut nach hinten. Es duftet schön nach frischgemähtem Rasen. Nicht mehr lange, haha. Mir ist mittlerweile alles egal, und wenn Frau von Roth mich erwischt, soll sie doch, ich hab nichts mehr zu verlieren.
    Ich ziehe mir die Hose bis in die Kniekehlen, und ab geht die Post: ein wässriger Spritzwurf, begleitet von verkniffenen Trompetengeräuschen, die Plörre spritzt vorne bis zum Bauchnabel und hinten den Steiß hoch. Es riecht ekelhaft sauer. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass gesunder Stuhl neutral riecht und den After kaum beschmutzt. Jaja. Es kommt mir vor, als hätte ich ein Viertel meines Körpergewichts weggeschissen, erstaunlich, wie viel Scheiße in so einen kleinen Körper hineinpasst. Ich hocke mit puterrotem Pavianarsch in einem Kornkreis aus Scheiße und muss auch noch sparsam sein beim Abwischen, weil ich zu wenig Seiten rausgerissen habe. Mit
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