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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition)
Autoren: Heinz Strunk
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so ein Name. Er wohnt bereits in einem eigenen Apartment (O-Ton Susanne Bohne) und fährt einen Ford Taunus mit Fuchsschwanz und trägt Cowboystiefel und Totenkopfgürtel undundundoderoderoder, mit oder ohne vier Jahre älter ist er mir eine Milliarde Lichtjahre überlegen. Das vereinfacht die Sache irgendwie, und ich verzichte freiwillig auf Susanne Bohne.
    Immerhin duldet sie mich gelegentlich als Kumpel, im letzten Winter waren wir zum Beispiel mal Schlitten fahren. In unserer Gegend ist eine Art Hügel (Willkommberg, woher der Name kommt, weiß ich nicht), und da treffen sich im Winter immer alle zum Wintersport . Eines Tages ist das Schönste passiert, was man sich nur vorstellen kann: Auf dem Weg den Hügel rauf habe ich Susanne an der Hand genommen, und wir sind wie ein Liebespärchen hochgestapft. Ich hab so getan, als würde ich sie nur bei der Hand nehmen, damit wir uns nicht auf die Fresse legen. Die Wahrheit braucht ja niemand zu wissen, vor allem nicht Susanne. Wir sind bestimmt zehnmal Hand in Hand den Hügel rauf, und ich habe damals schon gewusst, dass ich noch sehr lange an diese Sekunden unfassbaren Glücks zurückdenken würde. Und jetzt kommt’s: obwohl sie nach Pisse gerochen hat. Muss man sich mal vorstellen, kann sich kein Mensch vorstellen: Susanne Bohne hat echt pennermäßig nach Pisse gestunken! Zuerst dachte ich, ich wäre es, oder von irgendwo kommt dauernd eine Fahne rübergeweht. Aber nein: Aus Susannes Schoß kam eine Pissewolke gekrochen. Und trotzdem hat das meinen Gefühlen für sie keinen Abbruch getan. Das muss wahre Liebe sein. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass man sich, um über eine Trennung hinwegzukommen, den geliebten Partner beim Scheißen, Kotzen oder Pissen vorstellen soll. Am besten alles gleichzeitig. Egal, Susanne könnte mir direkt ins Gesicht pischern, und ich wäre immer noch verliebt in sie.
    Ich bin mir nicht im Klaren darüber, wie ich es finden soll, dass sie mitkommt. Wie so häufig: einerseits, andererseits. Die Chancenlosigkeit hat auf Dauer was Deprimierendes, und die letzten Tage lässt sie vielleicht noch einen anderen ran. Wenn sich Freizeiten ihrem Ende nähern, geht erfahrungsgemäß nämlich einiges, und Dieter Dorsch ist vergessen, den gibt’s dann gar nicht mehr, wie die Flory Dreigang.
    Obwohl Susanne eine Göttin ist, besteht der Rest ihrer Familie interessanterweise aus totalen Mongos: Die Eltern leben seit Ewigkeiten von der Sozialhilfe, ihre jüngere Schwester ist geistig zurückgeblieben, und der älteste Bruder sitzt andauernd im Knast, wie der Freund von Ute. Einzig Susanne ist verschont geblieben, körperlich und geistig gesund und eine sagenhafte Schönheit noch dazu. Wieso eigentlich? Landläufig herrscht die Überzeugung, dass die Menschen ausschließlich Produkt von Gesellschaft und Erziehung sind, und wer was anderes behauptet, ist ein Faschist. Ich bin politisch wie alle anderen auch links orientiert, bis auf Peter Behrmann, das verdammte CDU-Schwein, aber das halte ich trotzdem für ausgemachten Unfug. Na ja, kann ich ja der Meinung sein, muss ich ja nicht an die große Glocke hängen.

    Harald hat sich auf die letzte Bank gesetzt, obwohl er als Neuer in der Hierarchie ganz unten steht und sich ganz normal erst mal hinten anstellen müsste, aber es traut sich niemand was zu sagen, weil alle sehen, dass er irre ist und man von ihm ohne Ansage aufs Maul bekommt. Er versaut die Stimmung auf der letzten Bank. Keiner traut sich mehr irgendwas, noch nicht mal Marina Jakob, die sich nur auf die letzte Bank gesetzt hat, um durchgefummelt zu werden. Das macht sie in der Schule auch immer so, sie lässt sich überall angrapschen, und alle tun so, als ob es Spaß wäre, dabei ist es bitterer Ernst. Jetzt sitzt sie kerzengerade da, als ob sie einen Stock verschluckt hätte, die Hände in Pfötchenhaltung, weil sie Angst hat, von Harald angetatscht zu werden, und davor ekelt sie sich, denn Harald ist nicht nur stark und groß und dumm, sondern auch hässlich, groß und dumm. Wirklich hässlich. Überall quellen Wülste aus den Scharnieren seines plumpen Körpers, sein breiter, platter Arsch wächst übergangslos in den schwabbeligen Bauch (sogenannte Salinofigur: Das Wort hab ich mir ausgedacht – abgeleitet von der Lakritzsorte Salino). Und dann das Gesicht: Mit den eingedrückten, erloschenen Augen, der ungewöhnlich niedrigen, zerknitterten Stirn und dem Karpfenmaul hat er etwas enorm Fischiges. Er weiß, dass er unglaublich hässlich ist
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