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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)
Autoren: Alan Bradley
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St. Tankred einem alten Aquarell. Der Turm schien über dem hügeligen Friedhof zu schweben wie ein Heißluftballon, der ungeduldig an seinen Leinen zerrt.
    Der einzige Missklang in der Idylle war der knallrote Lieferwagen, der auf der kopfsteingepflasterten Zufahrt zum Hauptportal stand. Das war der Wagen von Mr. Haskins, dem Küster. Daneben, auf der Wiese unter den Eiben, parkte ein blitzender schwarzer Hillman, dessen makelloser Glanz mir verriet, dass er niemandem aus Bishop’s Lacey gehörte.
    Vor dem Seiteneingang zur Kapelle, fast schon vom Dunst verschluckt, stand ein blauer Lastwagen. Ramponierte Leitern und schmuddelige, ausgebleichte Bretter ragten aus der offenen Ladeklappe. Der Besitzer dieses Fahrzeugs war George Battle, der Steinmetz des Dorfes.
    Ich bremste scharf und lehnte Gladys gegen die altersschwache Grabstätte einer gewissen Cassandra Cottlestone. »1685–1750« stand da zu lesen (womit sie im selben Jahr wie Johann Sebastian Bach geboren und auch gestorben war).
    In Stein gemeißelt und erbärmlich verwittert lag Cassandra auf ihrer bemoosten Grabplatte, mit zugekniffenen Augen, als hätte sie Kopfschmerzen, die Fingerspitzen unter dem Kinn aneinandergedrückt und mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen. Es schien ihr nicht viel auszumachen, dass sie tot war.
    Zu ihren Füßen war eingraviert:
    Nun lieg ich herfür
    Vor der Kirchenthür.
    Mein Leib, er möge Ruhe finden,
    Meine Seele himmelwärts entschwinden.
    Hatte mir Daffy nicht mal eine ziemlich weit hergeholte Geschichte über das Cottlestone-Grab erzählt? Wie war das doch gleich gewesen?
    Laute Stimmen drangen aus der Kirche und rissen mich aus meinen Gedanken. Ich überquerte die Wiese und trat durch das Portal.
    »Aber man hat mir eine Dispens zugesagt«, sagte der Vikar gerade. »Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Die Arbeiten haben bereits begonnen.«
    »Dann müssen Sie die Arbeiten eben wieder einstellen«, entgegnete ein massiger Mann im schwarzen Anzug. Mit seinem groben, bleichen Kartoffelgesicht und seiner dichten weißen Mähne glich er einem Staubmopp im Sonntagsgewand. »Und zwar sofort.«
    »Hören Sie, Marmaduke«, entgegnete der Vikar, »der Bischof hat mir mehrmals versichert, dass es keine … Ach, guten Morgen, Flavia. Du bist aber früh auf den Beinen!«
    Der massige Mann wandte langsam den Kopf, bis der Blick seiner hellen Augen auf mir ruhte. Er lächelte mich nicht an.
    »Guten Morgen, Herr Vikar!«, erwiderte ich munter. Wenn man schon zu so früher Stunde übertrieben fröhlich ist, geht das manchen Leuten gehörig auf die Nerven. Ich spürte sofort, dass der Weißhaarige zu diesem Personenkreis gehörte. »Es ist doch wirklich ein wunderschöner Morgen, oder? Das bisschen Regen stört überhaupt nicht!«
    Ich merkte selbst, dass ich eine Spur zu dick auftrug, aber manchmal kann ich einfach nicht anders.
    »Hab ich recht?«, setzte ich noch eins drauf.
    »Flavia, meine Gute, ich freue mich immer, dich zu sehen«, sagte der Vikar, »aber du suchst bestimmt Mr. Haskins. Es geht doch um den Blumenschmuck, nicht wahr? Na also, dachte ich mir’s doch gleich. Ich glaube, Mr. Haskins ist oben in der Glockenstube und kümmert sich um die Seile und so weiter. Schließlich soll am Karfreitag alles glatt gehen.«
    Blumenschmuck? Welcher Blumenschmuck? Der Vikar hatte mich soeben zu einer Figur in einem von ihm selbst erfundenen Theaterstück gemacht. Welche Ehre! Ich war zur Unzeit hereingeplatzt, und er wollte mich offenkundig schnell wieder loswerden.
    Selbstverständlich spielte ich mit. »Alles klar. Vater freut sich bestimmt, dass sich das mit den Lilien inzwischen geklärt hat.«
    Schon hüpfte ich wie eine junge Gazelle auf die erste Stufe der Treppe zum Glockenturm.
    Sobald ich außer Sichtweite der beiden Männer war, stapfte ich langsamer treppauf und rief mir ins Gedächtnis, dass sich Wendeltreppen in Burgen und Kirchen immer im Uhrzeigersinn emporwinden. Auf diese Weise war ein Angreifer, der die Stufen hoch stürmte, gezwungen, das Schwert mit der linken Hand zu führen, während der Verteidiger, der von oben kam, mit der rechten, für gewöhnlich überlegenen Hand kämpfen konnte.
    Ich wandte mich kurz um und vollführte ein paar Hiebe und Finten gegen einen imaginären Wikingerkrieger – vielleicht war es aber auch ein Normanne oder Gote. Bei Räubern und Plünderern kenne ich mich nicht besonders gut aus.
    »Holla!«, rief ich aus und nahm wie ein Degenfechter mit ausgestrecktem Arm
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