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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)
Autoren: Alan Bradley
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noch in tausendfacher Vergrößerung nicht von denen meines Vaters und meiner Schwestern zu unterscheiden.
    Jedenfalls nicht äußerlich.
    In einer der Zeitschriften, die überall in unserem Salon herumlagen, hatte ich gelesen, dass Menschenblut in seiner Zusammensetzung dem Meerwasser gleicht, aus dem unsere Vorfahren angeblich an Land gekrochen sind. Tatsächlich wurde in medizinischen Notfällen, wenn kein Blut zur Verfügung stand, schon Salzwasser für Transfusionen verwendet.
    Ein französischer Forscher und Artillerieoffizier namens René Quinton hatte bei einem Hund das ganze Blut gegen verdünntes Meerwasser ausgetauscht und festgestellt, dass der Hund nicht nur am Leben blieb – angeblich erreichte er ein hohes Alter –, sondern dass der Hundekörper das Meerwasser nach ein, zwei Tagen wieder in Blut umgewandelt hatte!
    Sowohl Blut als auch Salzwasser bestehen hauptsächlich aus Natrium und Chlor, wenn auch nicht im gleichen Verhältnis. Trotzdem ist es doch amüsant, sich vorzustellen, dass der Stoff, der durch unsere Adern fließt, im Grunde nichts anderes als eine Lösung aus Wasser und Tafelsalz ist, auch wenn beide Lösungen genau genommen noch kleine Mengen Kalzium, Magnesium, Kalium, Zink, Eisen und Kupfer enthalten.
    Diese Vorstellung hatte mich zunächst in höchste Aufregung versetzt, weil sie die Möglichkeit einer ganzen Reihe kühner Experimente verhieß, manche davon sogar am Menschen.
    Doch dann hatte mein wissenschaftlicher Verstand wieder die Oberhand gewonnen.
    Es folgte eine umfangreiche und sorgfältige Untersuchungsreihe, für die ich mein eigenes Blut opferte (ich war ein paar Wochen lang ziemlich blass um die Nase) und welche die Unterschiede klar herausstellte.
    Ich konnte überzeugend nachweisen, dass in den Adern der de Luces kein Meerwasser floss, sondern eine andere Kombination chemischer Elemente.
    Und was Daffys Behauptung anging, ich hätte eine transsilvanische Mutter – das war ganz einfach absurd!
    Meine Schwestern hatten mir schon des Öfteren einreden wollen, Harriet sei nicht meine leibliche Mutter. Mal behaupteten sie, ich sei von Kobolden als Wechselbalg auf der Türschwelle abgelegt worden, oder aber meine unbekannte Mutter habe mich nach der Geburt verstoßen, weil sie Tag für Tag beim Anblick meines hässlichen Gesichts in Weinkrämpfe ausgebrochen sei. Harriet habe mich dann aus Mitleid adoptiert.
    Es wäre mir fast lieber gewesen, wenn meine Experimente bewiesen hätten, dass meine Schwestern und ich nicht miteinander verwandt waren.
    Fledermausblut – von wegen! Daffy, diese elende Hexe!
    Um meine Forschungsreihe wissenschaftlich korrekt abzuschließen, durfte ich mich jedoch nicht auf irgendein Fachbuch berufen, sondern musste höchstpersönlich eine Fledermaus zur Ader lassen.
    Ich wusste auch schon, wo ich eine herbekam.
    Am nächsten Morgen würde ich früh aufstehen.

3
    E s war einer jener herrlichen Märztage, an denen die Luft so frisch ist, dass man jeden Atemzug genießt; an denen jeder Hauch dieses berauschenden Stoffes in Lunge und Gehirn derartig neue Universen erschafft, dass man glaubt, im nächsten Augenblick vor schierer Freude zerspringen zu müssen; einer jener stürmischen Tage mit dahinjagenden Wolken, Nieselregen, Gummistiefeln und vom Wind gebeutelten Regenschirmen, die einen spüren lassen, dass man wahrhaftig lebendig ist.
    Irgendwo im Wald sang ein Vogel: Kuckuck – jag-jag-pu-wi-witta-wu!
    Es war der erste Frühlingstag, und Mutter Natur schien das zu wissen.
    Gladys quietschte vor Vergnügen, als wir durch den Regen ratterten. Auch wenn sie mir einiges an Jahren voraus hatte, war sie einem kleinen Sprint an einem feuchten Tag ebenso wenig abgeneigt wie ich. Sie war schon vor meiner Geburt im Fahrradwerk der Birmingham Small Arms hergestellt worden und hatte ursprünglich meiner Mutter Harriet gehört, die sie »l’Hirondelle« genannt hatte – »die Schwalbe«.
    Ich hatte sie in Gladys umgetauft, weil sie immer so fröhlich war.
    Eigentlich konnte sie es nicht leiden, wenn sie nass wurde, aber an einem solchen Tag, an dem ihre Reifen auf dem Asphalt sangen und der Wind uns anschob, mochte auch sie nicht zimperlich sein.
    Ich breitete die Arme weit aus, sodass sich mein gelber Regenmantel wie ein Segel blähte, und ließ mich von einer kräftigen Bö davontragen.
    »Haruh!«, rief ich den nieselfeuchten Kühen zu, die mich verständnislos anglotzten, als ich im Regen an ihnen vorbeisauste.
    Im dunstigen grünen Morgenlicht glich
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