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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)
Autoren: Alan Bradley
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geschlungen.
    »Vielleicht können wir die Fledermaus ausräuchern«, sagte ich. »Hast du ’ne Zigarette?«
    Das sollte ein Witz sein. Feely war eine fanatische Nichtraucherin.
    »Oder wir locken sie heraus«, schlug ich hilfsbereit vor. »Was fressen Fledermäuse eigentlich?«
    »Insekten«, sagte Feely tonlos, als müsste sie sich aus einem lähmenden Albtraum befreien. »Das hilft uns nicht weiter.«
    »Hast du zufällig gesehen, in welcher Pfeife die Fledermaus festsitzt?«
    »Im Prinzipal«, antwortete Feely mit zittriger Stimme. »Dem D. Die Pfeife ist fünf Meter lang.«
    »Ich hab eine Idee! Spiel doch einfach Bachs Toccata und Fuge in d-Moll. So richtig mit Vollgas. Dann kannst du das Viech rauspusten.«
    »Du bist abartig. Ich sage morgen Mr. Haskins Bescheid.«
    Mr. Haskins war der Küster von St. Tankred. Vom Gräber-ausheben bis zum Messingpolieren kümmerte er sich um alles.
    »Was glaubst du, wie sie reingekommen ist? Ich meine die Fledermaus.«
    Wir wanderten zwischen hohen Hecken heimwärts. Wolkenfetzen trieben am Mond vorbei, und ein eisiger Wind zog und zupfte an unseren Mänteln.
    »Keine Ahnung … und ich möchte jetzt auch nicht mehr über Fledermäuse reden«, erwiderte Feely.
    Dabei wollte ich nur ein bisschen plaudern. Mir war natürlich klar, dass die Fledermaus nicht durch die offene Kirchentür hereingeflattert war. Bei uns auf Buckshaw gab es scharenweise Fledermäuse. Sie flogen durch zerbrochene Fenster ins Haus oder wurden verletzt von Katzen angeschleppt. Weil es aber in der Kirche keine Katze gab, lag die Antwort auf meine Frage auf der Hand.
    Ich wechselte das Thema. »Warum soll das Grab überhaupt geöffnet werden?«
    »Das Grab des heiligen Tankred? Weil er dieses Jahr fünfhundertsten Todestag hat.«
    Ich pfiff durch die Zähne. »Fünfhundert Jahre ist er schon tot? Das ist fünfmal länger, als der alte Hezekiah Whytefleet gelebt hat.«
    Feely äußerte sich nicht dazu.
    Ich rechnete im Geiste nach. »Dann ist Tankred im Jahr 1451 gestorben. Was glaubst du, wie er aussieht, wenn sie ihn ausbuddeln?«
    »Wer weiß? Manche Heilige verändern sich nach ihrem Tod überhaupt nicht. Ihre Haut bleibt glatt und weich wie ein Kinderpopo, und sie duften lieblich nach Blumen. Den ›Geruch der Heiligkeit‹ nennt man das.«
    Wenn ihr danach war, konnte meine Schwester ausgesprochen gesprächig sein.
    »Superkolossal!«, entschlüpfte es mir. »Hoffentlich kann ich einen Blick auf ihn werfen, wenn er aus seiner Kiste gezogen wird.«
    »Vergiss es. Die Archäologen lassen dich nicht mal in seine Nähe.«
    »Das wärmt orn’tlich von innen!«, verkündete Mrs. Mullet.
    Ich beäugte skeptisch den Teller mit Kürbis-Pastinaken-Suppe, den sie vor mich hinstellte. Schwarzer Pfeffer schwamm wie Schrotkörner darin herum.
    »Sieht ja beinahe essbar aus«, sagte ich höflich.
    Daffy steckte den Finger als Lesezeichen in Die Geheimnisse von Udolpho und warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Undankbares Gör.«
    »Daphne …«, mahnte Vater.
    »Stimmt doch!«, verteidigte sich Daffy. »Über Mrs. Mullets Suppe macht man keine Witze.«
    Feely hielt sich rasch die Serviette vor den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen. Abermals ging eine wortlose Botschaft zwischen meinen Schwestern hin und her.
    »Ophelia …«, setzte Vater hinzu. Diesmal war ihm der stumme Austausch nicht entgangen.
    »Lassen Sie’s gut sein, Colonel de Luce«, beschwichtigte ihn Mrs. Mullet. »Fräulein Flavia hat nur ein Späßchen gemacht. Das Mädel und ich, wir zwei beide versteh’n uns! Sie meint es ja nicht bös.«
    Das war mir zwar neu, aber ich rang mir trotzdem ein zustimmendes Lächeln ab.
    »Ganz recht, Mrs. M.«, sagte ich. »Denn sie wissen nicht, was sie tun.«
    Vater schlug nachdrücklich die neueste Ausgabe des British Philatelist zu, in der er gelesen hatte, und verließ mit der Zeitschrift das Zimmer. Man hörte, wie sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer leise schloss.
    »Bravo«, sagte Feely. »Du hast es mal wieder geschafft.«
    Vaters Geldsorgen waren mit jedem Monat drückender geworden. Anfangs war er einfach nur niedergeschlagen gewesen, aber seit einiger Zeit fiel mir etwas viel, viel Schlimmeres auf: Er hatte resigniert.
    Es war undenkbar, dass ein Mann, der ein Kriegsgefangenenlager überlebt hatte, einfach kapitulierte. Es gab mir einen schmerzlichen Stich, als ich begriff, dass den Pfennigfuchsern vom Königlichen Finanzamt gelungen war, was das Japanische Kaiserreich nicht geschafft hatte. Sie
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