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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)
Autoren: Alan Bradley
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hatten meinen Vater so weit gebracht, dass er alle Hoffnung aufgab.
    Als ich ein Jahr alt gewesen war, war unsere Mutter Harriet, die Buckshaw von ihrem Großonkel Tarquin de Luce geerbt hatte, bei einem Bergsteigerunfall im Himalaja ums Leben gekommen. Weil sie kein Testament hinterlassen hatte, stürzten sich die Aasgeier Seiner Majestät auf Vater und pickten seither unermüdlich an seiner Leber.
    Es war ein langer, zäher Kampf gewesen. Zwischendurch hatte es immer mal wieder so ausgesehen, als würde sich alles doch noch zum Guten wenden, aber in letzter Zeit wirkte Vater immer kraftloser. Schon mehrmals hatte er angekündigt, dass er Buckshaw aufgeben müsse, aber irgendwie hatten wir uns jedes Mal durchgewurstelt. Jetzt aber hatte es den Anschein, als sei ihm alles egal.
    Dabei liebte ich mein Elternhaus so sehr! Beim bloßen Gedanken an seine welligen Tapeten und zerschlissenen Teppiche bekam ich eine Gänsehaut.
    Onkel Tars erstklassiges Chemielabor im ersten Stock des unbeheizten Ostflügels war der einzige Teil des Hauses, der tipptopp in Schuss gewesen war. Doch auch hier hatten Staub und Vernachlässigung die Herrschaft übernommen, bis ich den vergessenen Raum irgendwann entdeckt und sogleich beschlagnahmt hatte.
    Onkel Tar war schon über zwanzig Jahre tot gewesen. Das Labor, das sein großzügiger Vater für ihn eingerichtet hatte, war seiner Zeit jedoch so weit voraus gewesen, dass es sogar jetzt noch, im Jahre 1951, als wahres Wunder der Wissenschaft bezeichnet werden konnte. Und diese ganze Herrlichkeit gehörte mir allein – angefangen von dem blitzblanken Messingmikroskop der Firma Leitz über die Regalreihen voller Chemikalien, dem Heer von Glaskolben und Reagenzgläsern bis zu dem Gaschromatografen, den Onkel Tar nach dem Entwurf von Michail Semjonowitsch Zwet – was für ein beneidenswerter Name! – hatte bauen lassen.
    Es gab Gerüchte, dass Onkel Tar kurz vor seinem Tod an dem Zerfall Erster Ordnung von Stickstoffpentoxid geforscht hatte. Falls diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen, hatte Onkel Tar zu den Pionieren dessen gehört, was heutzutage kurz »die Bombe« hieß.
    Mithilfe von Onkel Tars Fachbibliothek und seinen ausführlichen Niederschriften war es mir gelungen, eine gute, wenn nicht gar herausragende Chemikerin zu werden, auch wenn mein Interesse weniger dem Spalten von Atomen als dem Brauen von Giften galt.
    Wenn ihr mich fragt – eine ordentliche Dosis Zyankali ist irgendwelchen stumpfsinnig umherkreiselnden Elektronen haushoch überlegen.
    Mein Labor wartete. Ich konnte seinem Lockruf nicht länger widerstehen.
    »Bleibt ruhig sitzen. Ihr braucht meinetwegen nicht aufzustehen«, sagte ich zu meinen Schwestern, die mich angafften, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen.
    Ich verließ das Zimmer, in dem eisiges Schweigen herrschte.

2
    B ei geringer Vergrößerung durch ein Mikroskop betrachtet, erinnert das menschliche Blut an ein Luftbild des Petersplatzes in Rom, wo die Kardinäle in ihren scharlachroten Biretts und Umhängen müßig umherwandeln und darauf warten, dass der Papst auf den Balkon heraustritt. Was sie in Wirklichkeit natürlich nicht tun müssen.
    Bei zunehmender Vergrößerung wird die Färbung immer schwächer, bis man schließlich erkennt, dass die einzelnen roten Blutkörperchen in Wirklichkeit allenfalls einen leicht rosigen Hauch aufweisen.
    Die rote Färbung wird durch das im Hämoglobin enthaltene Eisen bewirkt. Das Eisen verbindet sich leicht mit Sauer-stoff, den es bis in die entlegensten Winkel unseres Körpers transportiert. Im Gegensatz dazu haben Hummer, Schnecken, Krebse, Muscheln, Tintenfische und die Mitglieder europäischer Königshäuser blaues Blut, was dem Umstand zu verdanken ist, dass nicht Eisen im Spiel ist, sondern Kupfer.
    Wahrscheinlich hatte mich der Fund des toten Frosches überhaupt erst auf die zündende Idee gebracht. Der Ärmste hatte offenbar versucht, vom Fluss hinter der Kirche zu der sumpfigen Wiese auf der anderen Straßenseite zu gelangen, als ihm ein dummes Missgeschick mit einem Automobil passierte.
    Auf jeden Fall war er platt, als ich ihn in die Tasche steckte und zu Forschungszwecken mit nach Hause nahm.
    Um die Blutkörperchen unter dem Mikroskop transparenter zu machen, hatte ich das Froschblut mit einer verdünnten Essigsäurelösung gemischt. Nachdem ich die Feineinstellung jus-tiert hatte, sah ich deutlich, dass die Frosch-Blutkörperchen flache Scheiben waren, eher wie rosafarbene Pennys, wogegen meine
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