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Flashback

Titel: Flashback
Autoren: Dan Simmons
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in der Enge des Hubschraubers hielten Ishii, Ōta und Okada die Mündungen ihrer automatischen Waffen ruhig auf die drei Amerikaner gerichtet. Doch ein, zwei Sekunden lang, nicht mehr, war Sato abgelenkt, als er den Funkkopfhörer und das Mikrofon aufsetzte und anschloss.
    In diesen wenigen Sekunden konnte Nick nichts unternehmen, aber er lehnte sich über Leonard, als wollte er nach ihm sehen. »Hast du verstanden, was Nakamura auf Japanisch gesagt hat?«
    Der scheinbar Bewusstlose nickte fast unmerklich. »Irgendwas von einer Mülldeponie.«
    In diesem Augenblick rief Ōta etwas auf Japanisch, und Shinta Ishii übersetzte: »Nicht sprechen, nicht sprechen!«
    »Lehnen Sie sich an die Wand, Bottom-san.« Hideki Sato zog seine Pistole und zielte auf Nicks Kopf. Er machte eine sanfte Geste damit.
    Nick setzte sich hin und legte die gefesselten Hände auf seine Oberschenkel. Vorsichtig warf er Val einen Blick zu. Die Augen seines Sohnes waren groß, aber anscheinend hatte er keine Angst. Nick staunte. Val nickte einmal kurz, als hätte ihm Nick eine telepathische Botschaft geschickt.

    Die drei Flüsterlibellen schwenkten scharf nach rechts und jagten lautlos nach Osten, als das letzte Abendlicht aus dem Himmel von Colorado sickerte.

1.19
IN DER LUFT
    SAMSTAG, 25. SEPTEMBER
     
     
    Nur das Rauschen der Luft über dem Flugwerk der Libelle und in den offenen Türen war zu hören. Nick saß zu weit vom nächsten Einstieg entfernt, um zu erkennen, wann genau sie die Westgrenze von Denver überquert hatten, doch nach dem Blick auf den Horizont zu schließen befanden sie sich schon über freiem Gelände.
    Der Flug zur Mülldeponie 9 der Gemeinde Denver dauerte nur wenige Minuten. Die Ninjas Ishii, Ōta und Okada sowie ein weiterer schwarz gekleideter Wachposten, den Nick nicht kannte, hielten ihre automatischen Waffen im Anschlag. Alle hatten Taser am Gürtel oder an der Kampfweste. Der fünfte Mann, vielleicht ein Sanitäter, war herübergekommen, nachdem der scheinbar bewusstlose Leonard zur Seite gesackt war und sich dabei die Infusionsnadel gelöst hatte.
    Nick wünschte sich die wenigen Sekunden auf dem Parkplatz von Six Flags zurück, wo er und Val nach ihren Waffen hätten greifen und kämpfend sterben können. Alles war so blitzartig gegangen, doch das war keine Entschuldigung. Cops waren dafür ausgebildet, dass sie schnell reagierten. Und sie lernten, dass sie sich nie von ihrer Waffe trennen durften. Niemals. Im Kino und Fernsehen gab es tausend Szenen, wo der Schurke eine Geisel nimmt – manchmal sogar den glücklosen Partner des Polizisten – und der Cop die Waffe weglegt. Nick erinnerte sich noch gut, wie er sich als Junge auf der Couch so ein Melodrama angesehen hatte und sein
Alter zufällig ins Zimmer kam. »So was wird nie passieren«, lautete sein Kommentar.
    War es die Anwesenheit Vals und Leonards, die Nick vom Kämpfen abgehalten, die ihn dazu bewegt hatte, Val am Handgelenk zu packen, damit er die Waffe fallen ließ? Wahrscheinlich. In der letzten Woche hatte sich Nick mehr oder weniger damit abgefunden, dass er sterben musste, aber er war nicht darauf gefasst gewesen, den Tod seines Sohnes zu erleben.
    Trotzdem: Wenn man die Waffe hergab, verlor man damit jede Hoffnung, wieder Herr der Lage zu werden. Cops wussten das, und auch Nicks Land hatte das früher begriffen. Bevor es durch einseitige Abrüstung den Weg zum Frieden beschritten und den Rüstungsetat Jahr für Jahr zusammengestrichen hatte, um die exponentiell steigenden Sozialausgaben bestreiten zu können …
    Das Schlimmste an Hiroshi Nakamuras historischem Vortrag war gewesen, dass ihm Nick über weite Strecken zustimmen musste.
    Doch jetzt schob Nick all diese Gedanken beiseite, um sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Wenn die Ninjas und Sato nur die geringste Unachtsamkeit zeigten, würde Nick die Gelegenheit beim Schopf packen.
    Und wenn sich keine Möglichkeit ergab, würde er trotzdem zuschlagen. Sato stand bei der offenen Tür, einen Arm lässig in einen Wandgurt gehakt. Nick wusste genau, wie er es anstellen musste.
     
    Noch immer kümmerte sich einer der Ninjas um die Verletzungen der Gefangenen. Warum, fragte sich Nick. Es war doch verrückt, an Leuten herumzudoktern, die in wenigen Minuten liquidiert werden sollten. Nick vermutete, dass es etwas mit dem mittelalterlichen Samuraikodex Bushido zu tun hatte. Möglicherweise war es nicht ehrenhaft – ein japanischer Allzweckbegriff, der offenbar jeden nur
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