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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn
Autoren: Laura Bickle
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hatte sie mit schwarzen Samtbändern zurückgebunden. Ein silberner Drudenfuß hing unter ihrem Kehlkopf und schimmerte im schwachen Lichtschein. »Das klingt wie ein Schwindler, der sich einen Scherz erlaubt.«
    Ciro faltete seine knorrigen, schwarzen Hände über der Decke auf seinem Schoß. Das Licht der Monitore fiel auf seine schmale Brille, und er lächelte Anya an.
    »Hallo, Anya.«
    »Hi, Ciro.« Anya ging hinüber zu dem alten Mann und nahm ihn in die Arme. Er fühlte sich noch zerbrechlicher an, als bei ihrer letzten Begegnung. Die Sache musste ernst sein, wenn Ciro hergekommen war. In der Gruppe war er der Dämonologe auf Abruf. Und er war derjenige, der sie alle zusammengebracht hatte, trotz Jules' Einwänden. Zugleich verstand Ciro besser als jeder andere, was es Anya kostete, hier bei ihnen zu sein.
    Anya legte eine Hand auf Ciros schmale Schulter. »Dann ist es ein Dämon?«
    Ciro schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich schätze, es ist ein angefressener und böswilliger Geist, der hier eingezogen ist. Die Trauer der alten Frau hat ihm die Tür geöffnet ... Aber der Bastard ist zäh.«
    »Habt ihr schon versucht, ihn auszutreiben?«
    Katie nickte. »Salz, Glockengeläut - Wir haben sogar einen Geistlichen hergeholt. Das Ding hat hier Wurzeln geschlagen, und wir können sie nicht ausgraben.« Aus dem Augenwinkel sah Anya, wie Jules Katie mit einem Stirnrunzeln bedachte. Er hielt auch von Katies Methoden nicht besonders viel. Jules zog es vor, die Geister Gottesfurcht - oder was er dafür hielt - zu lehren, bis sie vor lauter Angst zum Fenster hinausflüchteten, aber das schien immer seltener zu funktionieren. Anya betrachtete die Rußflecken auf Katies Fingernägeln. Die Hexe hatte sich wirklich angestrengt und den Geist trotzdem nicht vertreiben können. So war es ihnen in den letzten Monaten immer häufiger ergangen: aufsässige, ruhelose Geister, die einfach nicht loslassen wollten. Hatte sich ein Geist erst einmal niedergelassen und allen Bemühungen, ihn eines Besseren zu belehren, getrotzt, gab es keine andere Wahl, als ihn gewaltsam zu entfernen.
    »Die alte Dame will, dass er verschwindet?«, fragte Anya, nur um sicherzugehen. Immerhin bestand auch die Möglichkeit, dass die Zuneigung der alten Dame ihn davon abhielt, das Haus zu verlassen. Vielleicht hatte sie in ihrer Einsamkeit einen außerweltlichen Untermieter aufgenommen. Anya wusste, wie leicht Einsamkeit dazu führen konnte, dass ein Mensch unwissentlich Dinge tat, die seinem eigenen Wohl zuwiderliefen. Ein leeres, stilles Haus bot mehr als genug Raum zum Grübeln und zur Reue. Und manchmal nisteten sich dort unheilvolle Dinge ein.
    »Sie will ihn loswerden. Sie hat die Absicht, das Haus zu verkaufen und nach Florida zu ziehen.« Ciro lächelte. »Ich beneide sie.«
    »Machst du es?«, fragte Jules mit verkniffener Miene. »Entsorgst du ihn?«
    Entsorgen. Das hörte sich so sauber und ordentlich an. Geradezu reinlich. Als ginge es bloß darum, den Abfall hinauszubringen. Ciro bedachte sie mit einem Seitenblick. Er war der Einzige, der wusste, wie teuer sie immer wieder dafür bezahlen musste.
    »Okay«, sagte Anya und legte ihren Mantel ab. »Bringt mich zu ihm.«
    Die Kellertreppe knarrte unter Anyas Schritten. Mit einem knirschenden Geräusch trat sie auf eierschalendünne Glasscherben - die Überreste der Glühbirne, wie sie vermutete. Sie roch den Zimthauch von Katies fehlgeschlagenem Zauber, der sich in der Finsternis verflüchtigte. Hinter ihr schloss sich die Kellertür und beraubte sie des schwachen Lichts aus der Küche, sodass sie im Dunkeln zurückblieb.
    Sie schaltete ihre Taschenlampe ein und ließ den Lichtstrahl über die Stufen gleiten. Schatten schrumpften, wichen zurück hinter Waschmaschine und Trockner. Sie roch faulende Kartoffeln und Zwiebeln, Feuchtigkeit auf dem Boden - und Salzgurken. Sie runzelte die Stirn. Auf einem Regalbrett standen Dutzende Einmachgläser. Manche waren zerbrochen, andere hatten Risse. Aus ihnen tropfte immer noch Essig mitsamt Glassplittern auf den inzwischen stark verschmutzten Betonboden. Was für eine Verschwendung, dachte Anya mit knurrendem Magen.
    Über ihr an der unverputzten Decke verlief das elastische Abluftrohr des Trockners. Kisten mit Weihnachtsdekoration säumten die Wände. Alte Kleider, sorgfältig in Plastiksäcken verhüllt, hingen aufgereiht an einem Rohr. Eine zerschrammte Werkbank, die dem alten Herrn gehört haben musste, stand in einer Ecke. Die zugehörigen
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