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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn
Autoren: Laura Bickle
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sie war auch ein ausgesprochen nettes Heim für einen böswilligen Geist.
    Anya trat gegen das Abbild der lächelnden Frau. »He, du! Sieh zu, dass du Land gewinnst.« Sie war müde, sie roch nach Salzgurken, und allmählich wurde sie wirklich wütend. In ein paar Stunden begann ihre Frühschicht, deshalb sollte sie jetzt eigentlich im Land der Träume weilen, anstatt auf einen Getränkeautomaten einzuprügeln.
    Der Automat spuckte eine Glasflasche mit Limonade aus. Sie explodierte auf dem Boden wie eine kleine Handgranate. Anya wich hastig zurück. Die kalte, klebrige Flüssigkeit ergoss sich über ihre Stiefel.
    Sie hörte, wie im Inneren der Maschine weitere Glasflaschen in Position gebracht wurden. Sparky stieß sie hinter die Werkbank, als ein Hagel aus Glas auf die Steinwand und die rohe Holzbank niederging. Nägel und Schrauben fielen wie metallener Regen klimpernd zu Boden. Sparky spähte über die Bohrmaschine hinweg, und sein Schwanz peitschte hin und her.
    Anya knurrte. »Schluss mit diesem Aufstand.«
    Als der Automat leer war, sprangen sie und Sparky hinter der Werkbank hervor, um sich auf ihn zu stürzen. Der Automat rappelte, schwankte vor und zurück. Aus dem Augenwinkel sah Anya, dass er nicht angeschlossen war. Das Kabel lag zusammengerollt auf dem Boden. Sparky schnappte nach dem Kabel, das sich sofort über den Boden davonschlängelte.
    Anya presste ihre linke Hand auf die kalte Oberfläche des Automaten und die rechte an ihr Herz. In ihrer Brust spürte sie eine vertraute Hitze, fühlte das Brennen in ihrer Kehle. Sie atmete es ein, gestattete ihm, zu wachsen und sie ganz auszufüllen, spürte das Knistern in ihren Händen, als ein überirdischer Lichtschein sie durchflutete. Ihre bernsteinfarbene Aura wurde größer, wölbte sich wie ein Mantel, und ein Loch öffnete sich über ihrem Herzen. Die Flamme in ihrem Inneren loderte auf und griff nach dem jämmerlichen, Salzgurkengläser zertrümmernden Geist.
    Sie konnte seine Kälte in dem Getränkeautomaten spüren, kühl und schlüpfrig wie eine Flüssigkeit. Geisterfeuer flackerte an ihren Fingerspitzen auf, und sie ertastete die kleine Gestalt des launischen Geistes in der Dunkelheit. Mit einem tiefen Atemzug sog Anya ihn ein, fühlte ihn eiskalt in ihrer Kehle. Als hätte sie einen Eiswürfel im Ganzen geschluckt, blieb er stecken, schmolz und glitt schließlich hinab in ihren leeren Brustkorb. Und als sie den Geist verschlungen hatte, gestattete sie dem Feuer in ihrem Inneren, ihn zu opfern und zu verbrennen.
    Sie trat zurück und atmete tief durch. Ihr Körper dampfte in der Kälte, und sie roch Verbranntes. Ihre heiß glühende Aura legte sich um sie wie eine zweite Haut und begann zu verblassen. Sparky, der das nun kraftlos am Boden liegende Elektrokabel besiegt hatte, glitt an Anyas Seite. Er verwandelte sich in feinen, goldenen Nebel, kroch an ihrem Arm hinauf und verfestigte sich wieder in ihrem Halsreif. Anya fror und war dankbar für die Wärme, die er mit sich brachte.
    Anya war ein Medium der seltensten Art: eine Laterne. Geister wurden unweigerlich von ihr angezogen wie Motten vom Licht - eine spezifische Eigenschaft für ein Medium. Gewöhnliche Medien konnten Geistern gestatten, nach Gutdünken in ihre Haut zu schlüpfen und ihre Stimmen und Hände zu nutzen; sie konnten ihre Körper einem anderen Wesen überlassen. Die Vorstellung, einem Geist diese Macht über sich einzuräumen, brachte Anya zum Schaudern.
    Doch Laternen waren keine gewöhnlichen Medien. Sie war noch nie einer anderen Laterne begegnet. Der Begriff war ihr nur aus den Gesprächen mit Ciro bekannt. Es war keine Rolle, die sie gern spielte. Katie hatte einmal gesagt, Anya sei vom Feuer gesegnet. Wie ein fleischgewordener, elektrischer Insektenvernichter zog sie Geister in das Elementarlicht in ihrem Inneren, verschlang sie, verbrannte sie zu Asche. Anya hasste die kalte Berührung der Geister in ihrer Kehle; sie schmeckten hart und metallisch, wie Wasser, das zu viel Eisen enthielt. Hatte sie einen Geist verschlungen, so schien es Tage zu dauern, bis sie wieder echte Wärme empfinden konnte.
    »Du konntest nicht einfach gehen, nicht wahr?« Anya bückte sich, um ihre Taschenlampe aufzuheben. Dann versetzte sie der zwinkernden Frau auf dem Getränkeautomaten einen wütenden Tritt, so stark, dass ihr Stiefel Schmutzspuren am Kinn der Frau hinterließ.
    Die Vorderklappe des Automaten sprang auf wie eine Kühlschranktür. Anya erschrak, und ihre Haut kribbelte. Sie
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