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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn
Autoren: Laura Bickle
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Werkzeuge hatte schon lange niemand mehr angerührt. Dieser Ort war eine Gruft für die Erinnerungen der alten Dame. Kein Wunder, dass der böswillige Geist sich hier in all dem Staub und den Gefühlen vieler Jahre eingenistet hatte. Dies war fruchtbarer Boden für einen heimatlosen Geist.
    »Noch eine Hexe?«, ertönte es kichernd unter der Treppe.
    »Nein, nicht noch eine Hexe.« Anyas Salamanderhalsring brannte auf ihrer Haut und trieb ihr den Schweiß aus den Poren. Dann verlagerte sich die Hitze, schlängelte sich spiralförmig über ihren Arm und sprang auf die Stufen. Ein Feuergeist, ein Salamander, hatte sich aus dem Ring befreit. Er schimmerte halbtransparent in bernsteinfarbenem Licht und war ungefähr so groß wie ein Rottweiler. Sparky hatte die Gestalt eines großen, gefleckten Salamanders, wie man sie in Gebirgsflüssen findet. Echte Monster, die man auch Schlammteufel nennt. Seine Größe und Form waren so wandelbar wie Flammen. Der Schlammteufel gehörte zu seinen bevorzugten Gestalten, obwohl Sparky auch diese je nach Bedarf oder Lust und Laune modifizierte. Sein Kopf war so groß wie eine Schaufel, der Körper so dick wie ein Baumstamm. Zischend schlang er seinen Schwanz um Anyas Knie und züngelte in die Dunkelheit. Für die meisten Menschen war Sparky unsichtbar. Doch Katie konnte ihn fühlen, und Brian sah die durch ihn ausgelösten Temperaturveränderungen auf seinen Geräten. Aber für das Ding unter der Treppe war Sparky nicht unsichtbar.
    Der Geist fauchte. »Elementargeist.«
    »Das ist deine letzte Chance«, sagte Anya. »Verschwinde, oder ich werde dich vernichten.«
    »Meins«, knurrte der Geist.
    Anya seufzte. Einmal nur wünschte sie sich einen Geist, der ohne Probleme zu machen das Feld räumte. Einen Geist, der nicht verärgert und gereizt reagierte. Einen Geist, der einfach ging, wenn sie es ihm sagte. Brav und in aller Stille, nur einmal, zur Abwechslung.
    Sie stieg die Stufen hinab. Sparky schwebte vor ihr. Unter der Treppe hämmerte der Geist an die Stufen, um sie einzuschüchtern. Anya ignorierte ihn und ging gleichmäßigen Schrittes weiter. Sie würde ihm nicht den Gefallen tun, erschrocken zu reagieren.
    Plötzlich zersplitterte ein Brett und brach. Anya stolperte über die Holzstücke. Sparky schoss herbei, um ihren Sturz aufzuhalten. Anyas Taschenlampe fiel die Treppe runter, erlosch und rollte in der Dunkelheit davon. Sie selbst landete, mitsamt Sparky, auf dem Betonboden in Glassplittern und Salzgurkensud - unverletzt, aber verärgert. Das einzig verbliebene Licht stammte von Sparkys Schimmern: ein Licht, viel trüber und diffuser als das der Taschenlampe.
    Das Ding unter der Treppe kicherte.
    Jemand rüttelte am Knauf der Kellertür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Das Geräusch von einem harten Aufprall hallte wider wie ein Gewehrschuss. Dann drang Jules Stimme durch die Tür. »Anya? Alles in Ordnung?«
    »Mir geht's gut«, antwortete sie, stemmte sich vom Boden hoch und wischte die Glassplitter von Händen und Jeans. »Lasst uns allein.«
    Sparky umkreiste sie, ein sich windendes Strahlen reinen Lichts. Durch sein Fauchen kräuselte sich seine lockere, gefleckte Haut. Kiemen entfalteten sich wie Farnblätter an beiden Seiten seines Kopfs, primitiv und Furcht erregend. Sein sanft-goldenes Leuchten war so hell, dass Anya sehen konnte.
    Der Kellergeist war stärker, als sie erwartet hatte. Sie stellte sich vor, wie die Hauseigentümerin diesem Ding allein entgegentrat - ein Übermut, der sie schaudern ließ. Eine Macht wie diese hätte die alte Frau schwer verletzen oder gar töten können.
    Und was das Ding mit den Salzgurken angestellt hatte - Blasphemie!
    Anya ging um die Ecke und warf einen Blick unter die Treppe. Sofort stockte ihr der Atem. Die gebündelte Finsternis unter den Stufen strahlte Kälte aus; eine Kälte, die ihr entgegenschlug, als hätte sie eine Tür geöffnet und wäre hinaus in den strengsten Winter getreten. Beim Ausatmen verwandelte sich ihr warmer Atem in Dampf. Sie stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete den altmodischen Getränkeautomaten, der unter der Treppe stand. Er war verbeult und zerkratzt, bedruckt mit dem Bild einer hübschen Frau mit Sonnenbrille und Kopftuch, die eine Flasche in ihrer Hand hielt. Schwungvolle weiße Buchstaben forderten vom Kunden »Trink aus!«, und neben dem Münzschlitz war zu lesen, dass eine Limo zehn Cent kostete. Bei einer Auktion wäre diese vergessene Antiquität ein Vermögen wert gewesen, aber
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