Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn
Autoren: Laura Bickle
Vom Netzwerk:
Jules zerrte am Lenkrad, aber der Jeep rutschte zu weit auf dem platten Reifen, und die Felge verfing sich in einer Furche im Boden. Anya stürzte sich auf Katie, um sie festzuhalten und zu verhindern, dass sie auf der flachen Rückbank den Halt verlor und aus dem Wagen fiel, während Jules sich darum bemühte, das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Jeep schwankte auf einen Salzpfeiler zu und kam dort ruckartig genug zum Stehen, dass Anya aus dem Fond des Jeeps geschleudert wurde.
    Sie rollte über den Boden. Salz zerkratzte ihre Hände und Knie, doch sie stemmte sich schnell wieder hoch und kehrte zum Jeep zurück.
    Sirrushs Gebrüll wurde lauter und füllte die ganze Höhle aus. Wie in ihrem Traum so schlug Anya auch jetzt die Hände über die Ohren. Ihr Herz erbebte, veränderte seinen Rhythmus, beeinflusst von dem tiefen Bass dieses schrecklichen Geräuschs. Dieser eine Ton wanderte hoch zu dem Salz über ihren Köpfen und zertrümmerte es mit dem ohrenbetäubenden Lärm berstender, Millionen von Jahren alter Kristallformationen, deren Bruchstücke nun hinabfielen in den toten, ausgetrockneten See der Mine.
    Und dem Grollen folgte das Feuer. Die sengende Hitze von Sirrushs Atem fegte durch die Höhle, zog durch die Luft wie Hitzeflimmern über dunklem Asphalt. Anya presste beide Hände auf den Boden der Höhle, fühlte, wie sich der Schweiß, der ihr von der Stirn troff, mit dem Salz zu einer klebrigen Masse vereinte. Sparky drängelte sich neben sie, und sein Schwanz peitschte über den Boden.
    Ihre Aufmerksamkeit galt allein einer winzigen, weit entfernten Gestalt, kaum sichtbar am äußersten Rand des Lichtkegels der Jeepscheinwerfer: der Gestalt des kleinen Mädchens aus dem Getränkeautomaten. Schweigend wie ein Wächter stand es da und wartete auf Anya.
    Mimis Stimme knurrte in ihrem Schädel: Lass sie nicht entwischen.
    Hinter sich hörte sie Stimmen aus der Richtung, in der der Jeep stand, sah das Licht von Taschenlampen aus dem Augenwinkel. Aber sie konzentrierte sich weiter auf das kleine Mädchen. Sie stemmte sich hoch und folgte dem Geist des Kindes in die Finsternis.

KAPITEL ZWANZIG
    Der Geist des kleinen Mädchens führte Anya durch einen Nebenkorridor von dem kaputten Jeep und den Taschenlampen weg. Wie ein Irrlicht tanzte und schwenkte das Mädchen um Steinbrocken und eingestürzte und zerfallene Pfeiler herum. Anya folgte ihm langsam, und das bernsteinfarbene Licht seiner Aura warf einen kränklichen Schimmer auf ihre Haut. Mehrere Streifen vollkommener Finsternis unterbrachen den Lichtschein - Mimis Einfluss. Sparky lief voraus, und in seinem klaren, goldenen Licht sah man deutlich seine verräterischen Spuren in dem sandartigen Salz: die Schlangenlinie seines Schwanzes, umrahmt von den Kratzspuren seiner Klauen. In dem geisterhaften Lichtschein sahen seine Spuren auf dem Weg in Sirrushs Höhle aus wie das Zeichen der gehörnten Viper. Sparky hinterließ nur selten Spuren, aber nun wies er Anya den Weg.
    Je weiter sie ging, desto heißer wurde es. Die Kleider klebten an ihrem Leib, und sie streifte die Jacke ab und warf sie weg. Der Schweiß und die salzige Luftfeuchtigkeit der Mine rannen vereint über die Brandwunden auf ihrer Brust und lösten stechende Schmerzen aus. Ihre feuchten Füße quietschten in ihren Socken und Stiefeln, ihr Atem ging immer schneller und flacher, und sie fühlte, wie sich Mimi in ihren Eingeweiden regte und die Krallen in ihre Lungen schlug.
    Endlich konnte Anya vorne Licht sehen: ein Licht so surreal orangefarben wie in Drakes Gemälden. Sie stapfte darauf zu, spürte, wie der Schweiß auf ihrer Haut prickelte. Ihr Kupferreif umklammerte ihren Hals wie eine schmerzhafte Quetschung. Irgendwann begriff sie, dass die Hitze die Grenzen dessen, was für einen Menschen erträglich war, schon überschritten hatte, aber diese Grenzen hatte sie selbst längst hinter sich gelassen.
    Sie musste Sirrushs Auferstehung verhindern, nichts anderes zählte. Nicht der Schmerz, nicht ihre Freunde, die sie in der Mine zurückgelassen hatte. Nicht Brian. Nicht Mimi. Nicht Drake. Nur Sirrush.
    Der Pfad führte in eine Kammer, so glatt und rund wie ein Ei, dessen weiße Wände unter dem jahrhundertelangen Einfluss von Licht und Hitze glänzten, als wären sie poliert worden. Beinahe geblendet schirmte sie die Augen mit der Hand ab, und als sie ihn erblickte, stockte ihr der Atem.
    »Sirrush«. Anya und Mimi hauchten den Namen gemeinsam.
    Er drehte sich um, um sie anzusehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher