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Flammentod

Flammentod

Titel: Flammentod
Autoren: Oliver Buslau
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Geschäften, großem Gedränge und hoffnungslos zugestelltem Seitenstreifen. Ich bog in ein kleines Sträßchen ein, das noch weiter bergauf führte. Der Wagen rumpelte auf Kopfsteinpflaster einem altmodischen eisernen Tor entgegen. Weiter hinten erkannte ich einen kolossalen weißen Gebäudekomplex mit protzigen Türmen, auf denen schwarzer Schiefer glänzte. Die Straße führte am Fuß der Schloßmauer wie ein Ring um den Berg herum und dann wieder hinunter.
    Ich hatte die Hoffnung, mein Auto legal abstellen zu können, schon aufgegeben, da tauchte ein Schild auf: »Anwaltspraxis Vogt«, mit einem Pfeil nach rechts. Ich folgte dem Hinweis und kam auf einen abschüssigen Parkplatz, auf dem einige Parktaschen für Vogts Besucher vorgesehen waren.
    Das Büro befand sich im obersten Stock des angrenzenden Gebäudes. Das erste, was ich hinter der Tür sah, war ein Aquarium an der gegenüberliegenden Wand. Gelbe und knallrote Fische schwammen zwischen wedelnden Pflanzen herum. Mein Blick ging nach links zu einer Theke, hinter der ein höchstens siebzehnjähriges Mädchen saß und mich anlächelte. Ich erklärte, daß ich einen Termin hätte. Sie sah in einen Kalender, nickte und deutete auf die andere Seite des Raumes, wo sich ein paar orangefarbene Plastikschalen befanden, die an einer Leiste an der Wand befestigt waren. Die Stühle für die Wartenden - alle leer.
    »Nehmen Sie bitte einen Augenblick Platz«, sagte sie.
    Ich tat es und zog die Zeitung heraus, die ich zusammengefaltet in der Tasche gehabt hatte.
    Ich überflog den Artikel über den Toten. Ein gewisser Achim Diepeschrath war umgekommen. Seine Leiche hatte man im Wald gefunden. Anscheinend hatte die Boulevardpresse ihre Leser schon gestern mit Informationen über diesen Fall versorgt, so daß manche Details nicht zur Sprache kamen. Immerhin verstand ich, daß dieser Diepeschrath am Montag, also vorgestern, morgens tot im Wald gefunden worden war, und zwar auf einer Straße oder einem Waldweg, der »Rennweg« hieß. In dem aktuellen Bericht stürzte man sich auf das, was man eine sensationelle Neuigkeit im »Rennweg-Fall« hielt: Der Tote war Bauunternehmer gewesen, was die Zeitung zu der Mutmaßung brachte, ein Konkurrent könnte dahinterstecken. Ein konkreter Verdacht wurde nicht geäußert. Ich faltete die Zeitung ordentlich zusammen und legte sie auf einen Zeitschriftenstapel, der sich auf einem der Stühle befand.
    Ich sah auf und bemerkte, daß mich die junge Vorzimmerdame beobachtet hatte. Ich lächelte ihr zu, und sie wandte sich irritiert ab. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und ein Mann mit schütteren Haaren, Brille und Spitzbart sah heraus. Er beachtete mich nicht und sagte zu dem Mädchen: »Herr Rott kann jetzt hereinkommen.« Dann verschwand er wieder, ließ aber die Tür offen.
    Das Mädchen nickte mir zu, immer noch mit dem stereotypen Lächeln. »Herr Vogt erwartet Sie.« Hier ging offensichtlich alles den Dienstweg.
    Ich spazierte an dem Aquarium vorbei und gelangte in das Büro. Vogt stand hinter einem gigantischen Schreibtisch aus hellem Holz; dahinter erhob sich eine Regalwand.
    »Guten Tag, Herr Rott«, sagte er und hielt mir quer über den Tisch die Hand hin.
    Mein Blick fiel auf die Fensterfront des Raumes, hinter der es eine fulminante Aussicht zu bewundern gab. Was ich vom Auto aus nur kurz zu Gesicht bekommen hatte, präsentierte sich hier in aller Herrlichkeit. Man sah von Bensberg in die Rheinebene in Richtung Köln. Am Fuß des Berges erstreckte sich wie ein gekräuseltes grünes Meer eine Waldfläche. Dahinter ragten graue Gebäudewürfel auf. Am äußersten Ende des Horizonts sah ich schemenhaft Umrisse weit entfernter Industrieanlagen. Weißer Dampf stieg von ihnen auf und verband sich mit der dunstigen Wolkenschicht am Himmel. Winzigklein dazwischen stach etwas Gezacktes nach oben. Es waren die Türme des Kölner Doms.
    »Diese Aussicht hat schon Goethe bestaunt«, sagte Vogt.
    »Damals gab es wahrscheinlich nichts zu sehen als den Kölner Dom«, erwiderte ich.
    »Falsch. Der war damals noch eine Baustelle«, sagte Vogt oberlehrerhaft. »Bekanntlich war Goethe längst tot, als er vollendet wurde. Dafür war damals noch der Rhein zu sehen. Nehmen Sie bitte Platz.«
    Vogt war nicht nur dünn, sondern geradezu hager. Sein grauer Anzug schlotterte ihm um den Körper; sein weißes Hemd war zwar bis obenhin zugeknöpft, aber der Kragen hatte mindestes einen Zentimeter Platz; sein Hals hätte eine besonders kleine
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