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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
Autoren: Anne Perry
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sein ganzes Erwachsenenleben bei der Polizei verbracht und Zeit und Arbeitskraft bis zur Erschöpfung eingesetzt, um zu erreichen, dass Gerechtigkeit geschah, zumindest aber tragische Verbrechen aufgeklärt wurden. Wer die Rechtschaffenheit und Ideale der Männer infrage stellte, mit denen er zusammengearbeitet hatte, nahm einem Vierteljahrhundert seines Lebens den Sinn und zerstörte seinen Glauben an die Kraft, die dafür sorgte, dass es eine Zukunft gab. Falls die Polizei nicht integer war, wurde Rache statt Gerechtigkeit geübt und konnte nichts den Bürger vor der Willkür der Mächtigen schützen. Das wäre in der Tat Anarchie. Wenn sich die Dinge so verhielten, würde der selbstgefällige junge Mann vor ihm ebenso viel verlieren wie jeder andere. Er hatte nur deshalb die Möglichkeit, Bomben zu legen, weil sich die übrigen Mitglieder der Gesellschaft an die Gesetze hielten.
    Mit aller Verachtung, deren er fähig war, sagte Pitt in scharfem Ton: »Wäre die Polizei größtenteils korrupt, säßen Sie nicht hier und würden verhört. Wir hätten Sie dann nämlich einfach erschossen. Dafür nachträglich eine Rechtfertigung zu finden würde keine große Mühe kosten.« Er hörte, wie unbeherrscht und schroff seine Stimme klang. »Sie sitzen hier in Erwartung Ihres ordentlichen Verfahrens, weil wir uns an die Gesetze halten, die Sie brechen. Der korrupte Heuchler sind Sie. Sie belügen nicht nur uns, sondern auch sich selbst.«
    Wütend stieß Welling hervor: »Natürlich könnten Sie uns erschießen!« Dabei beugte er sich ein wenig vor und gab ein unheimliches Gelächter von sich, an dem er fast zu ersticken schien. »Wahrscheinlich werden Sie das auch tun! Genauso, wie Sie Magnus erschossen haben!«
    Verständnislos sah ihn Pitt an. Dann ging ihm mit Verblüffung und zunehmendem Entsetzen auf, dass Welling tatsächlich Angst hatte. Sein herausforderndes Verhalten ging nicht auf gespielte Tapferkeit zurück; er glaubte, was er sagte. Er war überzeugt, man werde ihn an Ort und Stelle umbringen.
    Pitt sah zu Narraway hin und erkannte auf dessen Zügen einen Augenblick lang das gleiche Erstaunen, das er empfand. Rasch war es vorüber, und man sah den üblichen Missmut, der sich gegen niemanden speziell richtete. Er hob die Brauen. »Magnus Landsborough wurde von hinten erschossen«, sagte er bedächtig. »Er ist vornüber gefallen, mit dem Gesicht zum Fenster.«
    »Die Kugel ist nicht von draußen gekommen«, gab Welling zurück. »Einer Ihrer Leute hat ihn von hinten erschossen. Ich habe es schon gesagt: Die Polizei ist verrottet bis ins Mark.«
    »Das ist eine Anschuldigung, für die Sie keinerlei Beweise vorgebracht haben«, hielt Pitt ihm entgegen. »Außerdem hat man ihn erst anschließend erschossen – also kann das nicht der Grund dafür gewesen sein, in der Myrdle Street Sprengsätze hochgehen zu lassen. Wieso überhaupt da? Was haben Ihnen die Menschen getan, die dort wohnen? Oder spielt es für Sie keine Rolle, wen es trifft?«
    »Natürlich habe ich keinen Beweis für die Korruptheit«, sagte Welling erbittert und richtete sich wieder auf. »Man wird den Mord an Magnus ebenso vertuschen wie alles andere. Und Sie wissen selbst sehr wohl, warum die Myrdle Street.«
    »Was meinen Sie mit ›alles andere‹?«, fragte Narraway, der scheinbar gelassen an der Wand lehnte, in Wahrheit aber bis zum Äußersten angespannt war. Obwohl er kleiner als Pitt war und nicht so breitschultrig wie dieser, ging von ihm der Eindruck einer zähen Kraft aus.
    Welling überlegte, bevor er antwortete. Er schien das Risiko gegen den Nutzen abzuwägen, den es bedeuten konnte zu sprechen. Als er schließlich den Mund öffnete, machte er nach wie vor den Eindruck unbeherrschter Wut.
    »Kommt ganz darauf an, wo man ist und wer man ist«, sagte er. »Für welche Verbrechen man gefasst wird und was dabei übersehen wird – wenn man die richtigen Leute mit ein bisschen Geld schmiert.« Er sah vom einen zum anderen. »Wer an der Spitze einer Erpresserbande steht und einen Teil der Einnahmen auf der Wache abliefert, hat nichts zu befürchten. Wer an bestimmten Stellen ein Geschäft betreibt, wird zufrieden gelassen, wer aber woanders eins hat, von dem wird Schutzgeld erpresst.« Sein ganzer Leib wirkte verkrampft, in seinen Augen lag unverhüllte Wut.
    Sofern der schwerwiegende Vorwurf, den er erhob, zutraf, ließe sich das Ausmaß der Konsequenzen nicht einmal von ferne abschätzen.
    »Woher wollen Sie das wissen?«, erkundigte sich
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