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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika
Autoren: Martina André
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mit einem Fächer vor Lenas Nase herum. Währenddessen wickelte die eigens ins Haus bestellte Frisierdame aus der Parfümerie
Bel Air
Lenas hellblondes Haar aus den über Nacht getragenen Papilloten, um es anschließend zu einem kunstvollen Arrangement aufstecken zu können.
    «Die Countess of Lieven gibt sich die Ehre», las Maggie vor, «die Debütantin Helena Sophie Huvstedt und ihren werten Herrn Vater Konsul Johann Friedrich Alexander Huvstedt in die
Almack’s Assembly Rooms
zum ersten Ball der diesjährigen Saison einzuladen», setzte Maggie fort, wobei ihre braunen Mausaugen vor Begeisterung funkelten. «Es wird noch besser!», rief sie aufgeregt. «Die Countess hat unter den in goldenen Lettern gedruckten Einladungstext handschriftlich etwas hinzugefügt:
Liebste Helena, ich schätze mich außerordentlich glücklich, Ihnen zu diesem Anlass den ehrenwerten Sir Edward William Montgomery Blake als Ihren abendlichen Tanzpartner vorstellen zu dürfen

    Lena erwiderte nichts, sondern schaute konzentriert in den Spiegel. Zufrieden registrierte sie, dass sich ihre nackten, makellosen Schultern farblich kaum von den ausladenden Ballonärmeln des Ballkleides unterschieden, die seitlich an das tief sitzende Dekolleté angesetzt waren. Die Schneiderin hatte ihr den richtigen Rat gegeben und den Ausschnitt ein klein wenig sündiger gestaltet als vom Vater abgesegnet. Wie zwei dralle, rosige Äpfelchen lugten ihre Brüste nun neugierig unter dem Spitzensaum hervor, gerade so, als ob sie den Betrachter dazu animieren wollten, ihren Reifegrad zu prüfen. Mit der engen Taille und dem voluminösen, knöchellangen Rock, der übersät war mit zarten, rosafarbenen Schleifen, sah Lena aus wie ein frisch verpacktes Sahnebonbon.
    «Dieser Edward Blake scheint eine wahrhaft gute Partie zu sein», plapperte Maggie munter weiter. «Ich habe gehört, er soll blendend aussehen. Groß, dunkelhaarig und blauäugig. Warum er mit beinahe dreißig Jahren wohl noch keine passende Ehefrau gefunden hat?» Maggie rieb sich das Kinn, während Lena in ihrem cremefarbenen Seidenkleid genervt mit den Augen rollte.
    «Du hältst dich entschieden zu oft bei den Küchenmägden auf, meine Liebe», tadelte sie ihre Anstandsdame, die mit ihren fünfundzwanzig Jahren nur vier Jahre älter war als sie selbst. «Und das ruiniert auf Dauer nicht nur deine Figur, sondern auch dein Urteilsvermögen», fügte sie warnend hinzu, obwohl Maggie von einer allzu üppigen Figur so weit entfernt war wie Hamburg von Amerika.
    Manchmal verglich Lena ihre Gouvernante, deren vollständiger Name Margareth Elisabeth Blumenroth lautete, eher mit einer umherschwirrenden Fledermaus. Vor allem, wenn sie wie jetzt mit ihren schwarzen, aufgesteckten Locken, dem anthrazitfarbenen Häubchen und einem gleichfarbigen Seidentaftkleid wie ein unruhiger Geist aufgeregt um sie herumwuselte.
    Maggie tat nicht selten so, als ob sie jeden Freier höchstpersönlich davon abschrecken müsste, auch nur einen Blick auf ihre Schutzbefohlene zu werfen. Besonders dann, wenn ihr sonst so strenger Mund den potenziellen Bewerber mit einem säuerlichen Lächeln bedachte und sie dabei einen halb abgebrochenen Schneidezahn zur Schau stellte, der zu allem Übel erheblich dunkler war als seine durchaus ansehnlichen Nachbarn.
    Der armen Maggie fehlt es wirklich an jeglicher Anmut
, dachte Lena und seufzte. Andererseits eignete sie sich aufgrund ihres Auftretens geradezu hervorragend als Hüterin weiblicher Unschuld. Denn ihre Sinne waren geschärft wie die eines Luchses. Ihr entging nicht die kleinste Kleinigkeit. Wenn sie eine sich nähernde, männliche Person prüfend unter die Lupe nahm, beobachtete sie sie unauffällig, aber doch so intensiv, als ob sie eine Naturforscherin wäre, die ein seltenes Insekt aus jedem nur möglichen Winkel betrachtete. Umso missgelaunter war sie, wenn ihre Qualitäten bei gesellschaftlichen Ereignissen wie der Einladung zum Ball nicht gefragt waren.
    «Dein letzter Auftritt ohne mich in der Loge des Covent Garden Theatre muss bei der Countess ja einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben», bemerkte Maggie spitz. «Warum sonst glaubst du, dass sie ausgerechnet dich als Tanzpartnerin für diesen schwerreichen Zuckerbaron ausgesucht hat.»
    Maggies Blick glitt zu einem gigantischen, mit Blattgold verzierten Weidenkorb, den Huxley am Vormittag von einem Boten entgegengenommen und auf einem Podest neben dem Frisiertisch aufgestellt hatte.
    «Und wenn ich erst all dieses
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