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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika
Autoren: Martina André
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erreichte sie in den frühen Morgenstunden Redfield Hall.
    Der Hahn hatte noch nicht gekräht und die Glocken der kleinen Kirche den neuen Arbeitstag noch nicht eingeläutet, als sie die Tür des Haupthauses aufstieß. Ohne rechts und links zu schauen, stürmte sie in die eindrucksvolle Empfangshalle. Beinahe rannte sie Terry, den Leibsklaven, über den Haufen, der gerade ein Glas mit heißer Milch auf einem Tablett balancierte. Vermutlich hatte die Missus nach einem Morgentrunk rufen lassen.
    Der livrierte Butler geriet ins Wanken, und die heiße Milch schwappte über seine Hände. Er schleuderte Baba ein paar ungehobelte Flüche entgegen, doch sie rannte bereits die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. Vorbei an den Wandleuchtern, deren flammende Kerzen Schatten in die oberen Stockwerke warfen.
    «Hey! Wo willst du hin?», rief ihr der aufgebrachte Mann hinterher.
    Natürlich wusste er, dass Baba nicht ins Haus, sondern auf die Felder gehörte, weil die Rangordnung der Sklaven auch etwas mit ihren zugewiesenen Aufgaben zu tun hatte.
    Wie aufgeschreckte Vögel steckten jetzt weitere Hausangestellte ihre Köpfe aus den Türen im Erdgeschoss. Doch ungeachtet der entgeisterten Blicke, setzte Baba ihren Weg in den ersten Stock fort, wo Seine Lordschaft mit Ihrer Ladyschaft über zwei nebeneinanderliegende Schlafgemächer verfügte. Von Estrelle, die ab und an im Haus aushalf, wusste Baba, dass die Gemächer der beiden Eheleute durch eine Tür miteinander verbunden waren.
    Als sie die erste Tür aufstieß, tat Ihre Ladyschaft einen entsetzten Schrei und fuhr so rasch in ihrem Bett auf, dass sie ihr sorgsam aufgesetztes Häubchen verlor. Sofort fiel das rotblonde Haar in langen Wellen herab, was ihr zartes, weißes Gesicht noch bleicher erscheinen ließ. Ihr Blick war so panisch, als habe sie ein Gespenst gesehen. Doch Baba hatte keine Zeit, die hochschwangere Missus länger zu betrachten. Sie wollte Antworten von ihrem Master, und wenn es ihr Leben kosten würde.
    Schon stürmte sie durch die Zwischentür. Lord William saß im Bett und hatte bereits eine Lampe entzündet. Baba irritierte sein ungewohnter Anblick. Unzählige Male hatte sie seinen gestählten Körper nackt gesehen, aber noch nie war ihr William Blake im Nachthemd begegnet, und schon gar nicht mit einer Zipfelmütze auf seinem grau werdenden Haupt. Doch er musste den Eindringling erwartet haben. Denn in seiner Rechten hielt er eine Pistole.
    «Wo ist mein Sohn?», schrie Baba und ignorierte, dass der Lauf der Waffe auf sie gerichtet war.
    Der Master zögerte einen Moment, ob aus Überraschung oder vor Zorn vermochte Baba nicht zu sagen. Die Angst um ihr Kind steigerte sich in grenzenlose Hysterie.
    «Wo ist Jess?», brüllte sie wie von Sinnen. «Und wage ja nicht, so zu tun, als wüsstest du es nicht!»
    Dass sie ihn vor seiner Frau und allen anwesenden Haussklaven in einer solch respektlosen Weise behandelte, machte die Sache nicht besser. Lord Williams Kopf schwoll vor Zorn rot an.
    «Verkauft!», sagte er in einem bemüht nüchternen Ton. «An einen spanischen Händler.» Als er sah, wie schockiert Baba reagierte, fügte er ohne Erbarmen hinzu: «Beide haben die Insel bereits verlassen. Also hör auf zu lamentieren. Du kannst dir ja von irgendeinem dahergelaufenen Nigger einen neuen Jesús machen lassen. Je eher, desto besser.»
    Für einen Moment war Baba wie betäubt. Fassungslos starrte sie auf den Mann, der sie so viele Jahre missbraucht und gequält hatte. Der körperliche Schmerz, den sie ertragen hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was sie nun fühlte.
    «Ich … verfluche … dich, William Blake», flüsterte sie gefährlich leise. «Dich und deine gesamte Familie. Auf dass deine Frau und deine Kinder einen baldigen Tod finden mögen. Und alle Frauen, die auf Redfield Hall noch folgen werden! Sie sollen allesamt eines frühzeitigen Todes sterben und auf immer und ewig in der Hölle schmoren!»
    Rascher, als William reagieren konnte, riss Baba sich das Pflanzmesser vom Gürtel. «Der Teufel selbst und all seine Dämonen sollen meine Zeugen sein, dass ich diesen Fluch hier und heute und für alle Ewigkeit mit meinem Blut besiegele!»
    Dann schnitt sie sich vor den entsetzten Augen aller Umstehenden mit zwei schnellen Bewegungen die Pulsadern auf.

Kapitel 1
    Januar 1831 // London // Eine schicksalhafte Entscheidung

    W ie sich das anhört!», flötete Maggie entzückt und wedelte mit der Einladungskarte aus weißem Büttenpapier wie
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