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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika
Autoren: Martina André
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werde», erklärte sie an Maggie gerichtet.
    Die Frisierdame machte sich sofort daran, Lenas Wunsch nachzukommen, und nahm dann einen hellbraunen Wachsstift zur Hand, um Lenas grüne Augen zu betonen. Maggie behauptete stets, sie hätten die Farbe des Indischen Ozeans. Und sie musste es schließlich wissen, war Maggie doch als Tochter einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie im fernen Indien geboren worden und erst nach dem Tod ihrer Eltern über Zürich nach Hamburg gelangt. Dort hatte sie nach dem Besuch einer Schweizer Gouvernantenschule eine Anstellung als Anstandsdame und Lehrerin für Englisch, Französisch und Klavier im Hause der Huvstedts angenommen. Seither begleitete sie Lena und ihren Vater jedes Jahr in der Wintersaison für einige Monate nach London.
    In rascher Abfolge fuhr die Frisierdame mit einem langstieligen Rosshaarbürstchen mal in einen kleinen, braunen Tuschkasten und dann wieder über Lenas lange, dunkelblonde Wimpern. Sie wiederholte die Prozedur so lange, bis die Augen wie von dunklen Fächern umrahmt wurden.
    «Glaubst du, dass ich ihm gefalle?» Lena betrachtete das Ergebnis der Schönheitsbemühungen wohlwollend im Spiegel.
    «Wem?», fragte Maggie geistesabwesend. Sie war zu einem der großen Fenster getreten und beobachtete – die Hände hinter dem Rücken verschränkt – das geschäftige Treiben auf der James Street. Huxley betrat, nachdem er zaghaft angeklopft hatte, das Zimmer und entzündete an den Wänden und auf den Kommoden Kerzen, die sofort ein schmeichelndes Licht verströmten.
    «Na, Sir Edward!», rief Lena. «Oder denkst du etwa, ich rede von meinem Vater?»
    «Sicher wirst du beiden gefallen», bestätigte Maggie mit einem anerkennenden Lächeln. «Jeder Mann wird vor dir niederknien, sobald er dich sieht. Wenn du immer so herausgeputzt umhergehen würdest, müsste dein Vater mir kündigen und stattdessen eine Leibgarde engagieren.» Sie lächelte dünn. Dann bekannte sie mit einem gewissen Bedauern in der Stimme: «Schade, dass es schneit, sonst könntest du mit einem offenen Zweispänner in den Club fahren, und jeder würde denken, dass du eine Prinzessin bist.»
    «Bis zur King Street ist es ja nicht weit», bemerkte Lena, während die Frisierdame ihre Utensilien einpackte und sich zum Gehen anschickte. Lena stand auf, und strich ihr Kleid glatt. Dann bedankte sie sich bei der Frau und entlohnte sie fürstlich. Nachdem Huxley die Dame hinausbegleitet hatte, gesellte Lena sich zu Maggie ans Fenster. Mit sehnsüchtigen Blicken verfolgte sie die tanzenden Schneeflocken, wie sie auf die Menschen herniedersegelten und alles wie mit Puderzucker bestäubt aussehen ließen.
    Schließlich räusperte sich Maggie. «Eine innere Stimme sagt mir, dass ich dich auf keinen Fall alleine all diesen lüsternen Junggesellen überlassen darf. Aber dein Vater wird hoffentlich dafür sorgen, dass dir weder dieser Sir Edward Blake noch sonst jemand unsittlich nahe kommt.»
    Lena stutzte, als sie sah, wie Maggies Augen einen traurigen Ausdruck annahmen. Plötzlich erkannte sie das Problem.
    «Denkst du etwa, ich würde dich aus meinen Diensten entlassen, wenn ich erst einen Heiratskandidaten gefunden habe?»
    «Natürlich würdest du das», entgegnete Maggie tonlos. «Wofür bräuchtest du dann noch eine Anstandsdame?»
    «Ach Maggie», rief Lena, machte einen Satz auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
    Die junge Frau mit dem strengen Auftreten war ihr längst so sehr ans Herz gewachsen, dass ihr der Gedanke, auf ihre humorvolle Gesellschaft verzichten zu müssen, einen heftigen Stich versetzte.
    «Wie kannst du nur glauben, dass ich jemals wieder ohne dich auskommen könnte?», fragte Lena aufgebracht. «Wenn du willst, kannst du dein ganzes Leben in meinem Haushalt verbringen. Wenn nicht als Anstandsdame, so doch als Gesellschafterin. Also mach dir keine Sorgen!» Lena entließ Maggie aus ihrer Umklammerung und schaute ihr prüfend in die Augen. «Oder willst du mich nicht mehr als Freundin, wenn ich erst einmal vermählt bin?»
    «Mein ganzes Leben? Mit dir? Was für ein schrecklicher Gedanke», unkte Maggie und versuchte sich an einem koboldhaften Lächeln.
    «Natürlich nehme ich das Angebot gerne an», sagte sie heiser und strich Lena in einer liebevollen Geste über die Wange. «Ganz gleich zu wem und wohin es dich verschlägt. Ich kann dich ja schließlich nicht einfach deinem Schicksal überlassen.»
    Lena wurde plötzlich ernst. «Glaubst du, an den merkwürdigen Gerüchten, die
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