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Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde

Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde

Titel: Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde
Autoren: Thomas Ziegler
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Enge getrieben, wurden sie gefährlich. Wo Licht war, sahen sie Schatten schleichen; wo geflüstert wurde, argwöhnten sie Verschwörungen; und hinter der Wahrheit witterten sie Lügen und Täuschung, denn die Wahrheit fürchteten sie mehr als alles andere. Weil die Wahrheit Männer wie sie überflüssig machte. Sie zogen es vor, an Lügen zu glauben, um nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren.
    Ein ganzer Trupp schwerbewaffneter SD-Männer bewachte Bess auf ihrem Weg durch den Palast; sie bekam keine anderen Menschen zu Gesicht, obwohl sie aus einigen Bemerkungen schloß, daß sich mehrere tausend Flüchtlinge in dem Gebäude aufhielten. Man führte sie durch abgelegene, düster beleuchtete Korridore und schmale Treppen hinauf. Der Staub auf dem Boden und die Stille verrieten, daß es sich um einen kaum benutzten Teil des Palastes handelte. Offenbar wollte der SD-Chef vermeiden, dass ihre Ankunft publik wurde.
    Dieses sinnlose Versteckspiel bestätigte Bess nur in ihrer Meinung über McLaskys paranoiden Charakter. Ka, Gahl Belfort und die anderen Flüchtlinge, die Zeugen ihres Erwachens im Tempel gewesen waren, würden dafür sorgen, daß in wenigen Stunden jeder Palastbewohner über die Rückkehr der Alten Kommandantin aus dem Eis informiert war. Um das zu verhindern, mußte McLasky den Clansmann und die dreißig Frauen und Kinder ebenfalls einsperren. Sie hoffte, daß es nicht dazu kommen würde; denn dann hätte sie sich in der Einschätzung der Situation grundlegend geirrt.
    Die SD-Männer sprachen wenig; sie behandelten Bess mit einer Mischung aus Scheu und Argwohn, und in ihren Augen war Angst. Bess kannte den Grund für diese Angst. Sie hatten sich auf Terminus sicher gefühlt, doch der Feind hatte sie aufgespürt, ihre Stadt verbrannt, und nun stand er vor den Toren ihrer letzten Bastion. Es gab für sie keinen Ausweg mehr. Fiel der Palast, dann war dies das Ende.
    Flaming Bess fragte sich, ob sie wußten, daß der Palast einst ein Raumschiff gewesen war. Sie erinnerte sich an das, was Ka zu ihr gesagt hatte, im Tempel, kurz vor dem Angriff der Herculeaner: Ich kenne keine NOVA STAR. Die Raumschiffe des Sternenbundes sind alle im Krieg zerstört oder von den Herculeanern erobert worden. Wir können nicht fliehen.
    Die Zeit, dachte sie. Zuviel Zeit ist vergangen.
    Sie ging weiter durch einsame Gänge, die vielleicht seit Jahrzehnten von keines Menschen Fuß betreten worden waren, und die schweren Schritte der SD-Männer hallten wie Trommelwirbel in der Stille.
    Ob Ka inzwischen etwas unternommen hatte? Aber sie wußte nicht, über wieviel Einfluß der Clansmann verfügte. Im Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten. Die Zeit arbeitete für sie; früher oder später würde es zum Großangriff der Herculeaner auf den Palast kommen, und dann würde unter den Flüchtlingen der Ruf nach der Alten Kommandantin laut werden.
    Schließlich war sie eine lebende Legende.
    Die Wächterin im Eis, die eine Ewigkeit im Tempel des Schreins geschlafen hatte. Nun war sie erwacht — und eine Gefangene.
    Sie lächelte ironisch.
    Herzlichen Glückwunsch, Muller McLasky, dachte Hess. Sie sind wahrscheinlich der erste Mensch, der eine Legende gefangen genommen hat …
    Die SD-Männer brachten sie in einen fensterlosen Raum und verriegelten hinter ihr die Tür. Sie hörte, wie sich ihre Schritte entfernten, aber sie war sicher, daß zumindest zwei Posten zurückgeblieben waren. Mit einem Schulterzucken ließ sie sich auf die Pritsche fallen; das einzige Einrichtungsstück.
    Wie es schien, hatten sich die Gefängniszellen in den vergangenen Jahrtausenden nicht verändert.
    Sie schloß die Augen.
    Bis zu diesem Moment hatte sie in einem Winkel ihres Bewußtseins geglaubt — oder gehofft? — , daß sie träumte, aber jetzt wußte sie mit Sicherheit, daß es kein Traum, sondern die Realität war. Nur wenige Dinge warenrealer als eine Gefängniszelle.
    Dies war die wirkliche Welt, die Welt der Zukunft, einer Zukunft, in der die Menschheit die Sterne besiedelt hatte. Aber der Krieg und der Tod waren der Menschheit zu den Sternen gefolgt. Die Erde war vergessen, verloren im Abgrund der Zeit und in der ungeheuren Weite des Raums, doch die alten Schatten lasteten noch immer auf ihren Kindern.
    Instinktiv wußte sie, daß sie nicht zufällig in diesem düsteren Zeitalter aus dem Kälteschlaf erwacht war.
    Sie werden schlafen, hatte man ihr auf der Erde gesagt. Sie werden schlafen, bis das Schiff sein Ziel erreicht. Aber
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