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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache
Autoren: Corinna Kastner
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zusammenraufen müssen, weil Heinz bis dahin ein ziemlich grantiger Nachbar gewesen war. Gleichzeitig war er ihr einziger greifbarer Verwandter, denn der andere noch lebende Zweig ihrer Familie war bald nach der Wende nach Kanada ausgewandert. Ihre Mutter war tot, ihren Vater kannte Kassandra nicht, sie wusste nicht mal seinen Namen. Mit Heinz kam sie inzwischen gut zurecht, obwohl seine Grantigkeit ab und zu immer noch durchkam. Das Verhältnis zwischen ihm und Paul dagegen war schwierig. Beide waren in der Gemeindevertretung und vertraten nicht nur dort recht unterschiedliche Positionen, sondern es stand auch privat einiges zwischen ihnen. In den letzten Monaten hatten sie sich einander angenähert, aber nicht in dem Maß, dass Heinz zu Pauls Buchpremiere hätte kommen wollen – das hätte er selbst dann nicht in Erwägung gezogen, wenn er gestern Abend in Wustrow statt bei einer Jubiläumsfeier außerhalb gewesen wäre. Von Freundschaft waren er und Paul noch weit entfernt.
    Jetzt wäre sie grußlos an Heinz vorübergegangen, wenn er sie nicht angesprochen hätte, so sehr war sie in ihre Gedanken vertieft.
    Â»Kassandra?«, fragte er. »Ist was nicht in Ordnung?«
    Sie brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass sie gemeint war. »Oh, Heinz, entschuldige. Ob was nicht in Ordnung ist? Ich … weiß nicht.«
    Â»Was ist passiert?«, hakte er nach.
    Â»Ich … weiß nicht«, wiederholte Kassandra durchaus wahrheitsgemäß.
    Heinz schüttelte den Kopf. »So geht das nicht. Komm erst mal rein und erzähl mir in Ruhe, was los ist.«
    Kassandra nahm das Angebot gern an. Sie wollte jetzt nicht zu Hause vor dem Telefon sitzen und grübeln.
    Heinz lebte allein, seit seine Frau Karin, die Schwester von Kassandras Mutter, vor vier Jahren gestorben war. Im Haus hatte sich seither wenig verändert, nur waren der Staub und Heinz ein besonderes Verhältnis eingegangen. Es fiel ihnen augenscheinlich schwer, sich voneinander zu trennen, was Kassandra amüsierte, denn das passte eigentlich gar nicht zu der Pedanterie des ehemaligen Polizeibeamten.
    Heinz setzte Tee auf und schob eine goldgeränderte Rosentasse über den uralten Eichenküchentisch zu ihr hin. »Also?«
    Kassandra sah auf die Uhr. Halb sieben. Sie zückte ihr Handy, um es noch einmal bei Paul zu versuchen, doch wieder meldete er sich nicht, weder zu Hause noch auf seinem iPhone. Letzteres war nicht weiter ungewöhnlich, er hatte es meist ausgeschaltet, wenn er nicht erreichbar sein oder es anderweitig nutzen wollte.
    Â»Paul?«, schloss Heinz messerscharf, als Kassandra das Handy frustriert neben die Tasse legte, in der mittlerweile heißer Ceylontee dampfte. »Was hat er angestellt?«
    Kassandra mochte ungern hinter Pauls Rücken erzählen, was vorgefallen war. Andererseits war sie zutiefst besorgt, und da Paul und Heinz sich seit Menschengedenken kannten, wusste er vielleicht über Sascha Bescheid.
    Â»Ich hatte bis heute Nachmittag keine Ahnung, dass er einen Bruder hat«, begann sie.
    Heinz ließ seinen Teelöffel klirrend auf die Untertasse fallen. Irritiert sah Kassandra hoch und stellte fest, dass Heinz’ rotblonde Haare gegen sein schlagartig bleiches Gesicht ungewohnt feuerrot wirkten. »Sascha«, flüsterte er heiser. Dabei starrte er auf die Rosenranken seiner Tasse.
    Â»Ja«, erwiderte Kassandra unsicher. »Er stand vorhin wie aus heiterem Himmel vor uns und wollte Paul sprechen.«
    Heinz’ Kopf ruckte hoch. »Sascha ist hier?«
    Â»Ja«, wiederholte Kassandra. »Er sagte …« Weiter kam sie nicht.
    Heinz stand so abrupt auf, dass der Tee aus den Tassen schwappte. Seine hagere Gestalt ragte über dem Tisch und Kassandra in die Höhe. »Das Schwein ist zurückgekommen?«, brüllte er. »Wie kann der das wagen?« Ohne auf die Antwort auf diese ohnehin rhetorische Frage zu warten, fuhr er fort: »Wo ist er?«
    Kassandra konnte kaum fassen, was hier passierte. Sie hatte Heinz schon in diversen Stimmungen erlebt, aber niemals dermaßen außer Fassung. Außerdem konnte sie seine Frage nicht beantworten und kam sich vor wie ein Uhrwerk, weil sie schon wieder dasselbe sagen musste: »Ich weiß nicht. Aber …«
    Der Rest interessierte Heinz ganz offensichtlich nicht, und seine nächsten Worte galten auch nicht ihr. »Ich find raus, wo du bist. Und dann gnade
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