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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache
Autoren: Corinna Kastner
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mein Lieber. So einfach geht das nicht«, erwiderte Sascha unbeeindruckt. »Sollte ich zur Hölle fahren, nehme ich dich mit.« Er lächelte und nickte in Kassandras Richtung, ohne Paul aus den Augen zu lassen. »Und das wäre doch schade, oder?« Das Lächeln erstarb auf seinen Lippen. »Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe.« Er wandte sich an Kassandra und knipste seinen Charme wieder an. »Natürlich möchte ich nicht, dass Sie sich ausgeschlossen fühlen, aber das ist sehr … privat, und ich denke, dass mein Bruder nicht viel Wert auf Ihre Gegenwart bei unserem Gespräch legen wird. Hab ich recht?« Er blickte Paul auffordernd an.
    Der ignorierte ihn. Er hob die Hand und strich Kassandra über die Wange. Was sie dabei ganz kurz in seinen Augen las, bestürzte sie weit mehr als die Wut vorhin: Hoffnungslosigkeit. Die war seiner Stimme jedoch nicht anzuhören. »Es wird nicht lange dauern. Ich ruf dich an, ja?«
    Damit wandte er sich ab und ging über den Strandübergang voraus auf den Weg hinter den Dünen. Er wartete nicht auf Sascha, der Kassandra zuzwinkerte und ihm dann folgte.
    Beunruhigt lief Kassandra noch ein Stück am Strand entlang und dann nach Hause. Wie konnten zwei so unterschiedliche Männer Brüder sein? Paul war voller Wärme, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft – Eigenschaften, die sie sich bei Sascha nicht mal ansatzweise vorstellen konnte. Sie stutzte, weil sie sich erneut an etwas erinnerte. Während der Ermittlungen im Mordfall an dem Kunstgutachter, bei denen sie und Paul sich kennengelernt hatten, war Paul Verdächtigen gegenüber genauso aufgetreten wie Sascha eben, wenn er kurzzeitig auf seinen Charme verzichtete: drohend, kalt, sarkastisch. Paul hatte ihr erklärt, dieses Verhalten von der Stasi abgeguckt zu haben, die ihn vor vielen Jahren mal in der Mangel gehabt und ins Gefängnis gebracht hatte. Stammte ein Teil davon aber vielleicht von seinem älteren Bruder? Oder hatte Sascha gemeinsam mit Paul im Stasi-Knast gesessen? Was auch immer der Fall war: Während Paul die Bösartigkeit damals nur gespielt hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass es sich bei Sascha umgekehrt verhielt. Der spielte seinen Charme. Kassandra kannte sich aus – immerhin war sie mal mit einem Mann verheiratet gewesen, der das ebenfalls bis zur Perfektion beherrschte.
    Die Stunden vergingen, doch Paul meldete sich nicht. Ein paarmal nahm sie das Telefon in die Hand, um ihn selbst anzurufen, ließ es aber sein. Gegen sechs hielt sie es nicht mehr aus und machte sich auf den Weg zu Pauls Haus hinter dem Deich. Da sie ihre Pension betrieb und Paul zum Schreiben Ruhe brauchte, lebten sie mal hier, mal da, mal getrennt, mal zusammen. Jetzt jedoch wäre ihr wohler gewesen, wenn es nur ein Zuhause gegeben hätte, aus dem Paul und Sascha sie nicht so ohne Weiteres hätten aussperren können. Kassandra lief die Strandstraße herunter, ohne einen Blick zu haben für die mächtigen, so gut wie kahlen Bäume und die kleinen Villen und bunten Kapitänshäuser, deren Fenster an diesem Novemberabend hell erleuchtet waren und ein heimeliges Bild abgaben.
    Die komplett verglaste Seeseitenfront von Pauls Haus dagegen lag im Dunkeln. Vor einigen Jahren hatte er sein Elternhaus komplett umbauen und entkernen lassen. Das Innere war ein einziger offener Wohn-, Arbeits- und Essraum mit Küche und einer freitragenden Treppe, die zum Schlafbereich auf einer Galerie führte. Von dort hatte man durch die Fensterfront einen unübertrefflichen Ausblick auf die See und den abendlichen Sonnenuntergang, der nirgends schöner war als auf dem Fischland, wenn sich der rote Ball in die See hinabsenkte, verlosch und den Himmel anschließend noch lange unwirklich orange leuchten ließ.
    Falls Paul nicht abgeschottet im Dunkeln saß, war er nicht zu Hause. Sie schloss die Tür auf, spürte allerdings gleich, dass niemand da war. Kurz überlegte sie, zu bleiben und auf ihn zu warten, doch sie fühlte sich zum ersten Mal unwohl hier. Zwar stand alles an seinem Platz, aber die Atmosphäre des sonst so behaglichen Hauses schien verändert.
    Zurück in der Lindenstraße, begegnete ihr Heinz Jung. Heinz war pensionierter Polizeihauptmeister und, ebenso wie Jonas, Kassandras Nachbar. Außerdem war er ihr Onkel. Letzteres wussten beide noch nicht lange, und sie hatten sich erst
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