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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache
Autoren: Corinna Kastner
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Schritte zu seinem eigenen Haus.
    Â»Ist nicht leicht für ihn«, meinte Paul leise. »Ich wollte, wir hätten ihm das nicht antun müssen.«
    Kassandra nickte, während sie aufschloss und mit Paul in den Flur trat. »Aber du bist hoffentlich nicht der Ansicht, dass ich statt mit dir lieber mit Jonas zusammen sein sollte, bloß weil er sich das gewünscht hat.« Es sollte leicht klingen, doch offenbar kam es bei Paul nicht so an. Er stand in der nur indirekt beleuchteten Diele und betrachtete sie lange, bis er sie an sich zog und festhielt.
    Â»Nein, Liebes. Bin ich nicht«, murmelte er. Was er noch sagte, war zu undeutlich, als dass Kassandra es richtig verstehen konnte. Es klang wie: »Obwohl es vielleicht besser wäre.« Sie kam nicht dazu nachzufragen, weil Paul sie zu küssen begann.

2
    Am nächsten Morgen hatte sich das nasskalte Wetter verzogen, die Sonne kam heraus, sodass sich Kassandra und Paul am frühen Nachmittag für einen Strandspaziergang warm einpackten. Wann immer sie Zeit fanden, waren sie an der See. Paul war hier geboren, er kannte sich aus wie kein anderer. Er war derjenige, den man fragen musste, wenn man irgendwas über das Fischland wissen wollte. Wahrscheinlich gab es nur wenige, die sich so mit dieser Gegend verbunden fühlten wie er, der einmal gesagt hatte, nur der Tod könne ihn von hier vertreiben. Kassandra war erst im Jahr zuvor hergezogen, aber sie hatte Pauls Liebe zum Fischland vom ersten Moment an verstanden.
    Von Weitem sahen sie den alten Bruno die Seebrücke entlanggehen. Er blieb kurz stehen und schaute in ihre Richtung. Sie winkten, aber wahrscheinlich waren sie zu weit weg, denn er reagierte nicht.
    Â»Bruno sollte mal zum Augenarzt«, meinte Kassandra belustigt. »Stell dir vor, er kann seine Fische nicht mehr sehen.«
    Paul lachte. »Dazu lässt er es nicht kommen.«
    Bruno war der vermutlich leidenschaftlichste Angler von ganz Mecklenburg. Bei gutem Angelwetter verging kein Tag, an dem er nicht am Kopf der Seebrücke stand und meist auch ordentlich Ausbeute mit nach Hause brachte.
    Was er aus der See holte, waren allerdings nicht notwendigerweise nur Fische. Das einprägsamste Objekt war ein Turnschuh gewesen – einer, in dem noch ein Fuß steckte. Natürlich hatten alle an ein Verbrechen gedacht. Tatsächlich hatte es, wie sich bald herausstellte, an Bord eines Frachters einen tragischen Unfall gegeben, deren Auswirkungen an Wustrows Küste gespült worden waren.
    In Erinnerung daran verzog Kassandra das Gesicht und lächelte gleichzeitig. Wer Bruno nicht kannte und sein wettergegerbtes Gesicht sah, wäre nicht auf die Idee gekommen, dass er kein Fischer war, sondern früher einmal Wustrows Schüler unterrichtet hatte. Er war außerdem der beste Freund von Pauls Vater gewesen. Auch Paul hatte sich schon immer gut mit ihm verstanden, und nach dem Tod seines Vaters war die Freundschaft zu Bruno noch enger geworden.
    Kassandra und Paul liefen unterhalb des Steilufers, das nur hier und da von kargem Gebüsch bewachsen war, in Richtung Ahrenshoop, vorbei an den in der See liegenden Überresten zweier alter Bunkerruinen. Einer war mit einem recht kunstvollen Graffito besprüht, das eine Fackelträgerin zeigte, auf dem zweiten hatte sich eine Möwe niedergelassen. Kassandra hielt ihre kleine Kamera darauf und machte mehrere Bilder. Vor einiger Zeit hatte sie das Fotografieren für sich entdeckt und fand an der See mehr als genug Motive. Sie und Paul redeten nicht viel, sondern genossen die kalte, klare Luft, blieben öfter stehen, um die hereinrollenden Wellen zu betrachten oder um die Steine nach kleinen Kostbarkeiten zu durchforsten. Am Ende fand Kassandra einen versteinerten Seeigel und einen Hühnergott – einen Feuerstein mit einem Loch. Paul strich mit seinem Finger darüber. »Bringt Glück!«
    Da es zwar frisch war, die Sonnenstrahlen aber doch genug wärmten, setzten sie sich auf dem Rückweg auf eins der Boote, die sommers wie winters umgedreht in den Dünen lagen. Von hier hatte man einen grandiosen Blick über den langen Strand, bis zur Seebrücke auf der einen und zum Hohen Ufer und den Buhnenreihen auf der anderen Seite.
    Es waren kaum Leute unterwegs. Entsprechend ruhig war es um sie herum, und Kassandra hörte sofort, dass jemand hinter ihnen vom Strandübergang aus auf die Boote zukam. Sie drehte sich um, doch der Mann
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