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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache
Autoren: Corinna Kastner
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seit gestern verboten. Das hätte eine saftige Strafe
von bis zu fünftausend Euro zur Folge haben können …
    Â»Aber Lotte, das ist doch eine ganze Menge, was du da beobachtet
hast. Kommen Sie, Kubsch, den Kahn schauen wir uns aus der Nähe an.«
    Wir kletterten vom Boot und waren schon fast auf dem Kai, da rief
uns Lotte aufgeregt hinterher: »Kann ich nun endlich meinen Kutter aufmachen
und Fischbrötchen verkaufen, oder habt ihr noch was?«
    Das Geschäft musste laufen, der Kommissar hatte nichts dagegen.
Lotte zeigte dankbar ihre große Zahnlücke – einmal mehr ein entsetzlicher
Anblick, aber das nur nebenbei.
    Am Pier mussten die Spurensucher eine Absperrung aufbauen, denn die
ersten Reporter waren eingetroffen und versuchten hartnäckig, dem Kopf auf
seinen nicht mehr vorhandenen Leib zu rücken.
    Reporter Raimund Tomsen und Fotograf Franz Pickrot vom OSTSEE-BLICK . Letzterer das schärfste
Auge der Mecklenburger Meute. Pike, wie ihn seine Kollegen und wenigen Freunde
nannten, hatte bestimmt wieder einen heißen Tipp aus unserer Kommandantur
erhalten. Irgendwo war da ein Loch im internen Polizeiapparat, dem wir eines
Tages nachgehen müssten.
    Wir schlenderten an der schönen schwarzen Hanse-Kogge vorbei, ein
originalgetreuer Nachbau eines mittelalterlichen Wracks, das man vor gut zehn
Jahren im Ostseeschlick zwischen den Inseln Poel und Langenwerder gefunden
hatte.
    Der Alte Hafen von Wismar war in seiner strukturellen Entwicklung
irgendwo zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert und der Moderne der
Nachwendezeit hängen geblieben. Einige wenige Fischerboote hielten trotzig ihre
roten und schwarzen Markierungsfähnchen in die steife Ostseebrise. Eine
Handvoll abgetakelter Ausflugsdampfer versuchte sich mit saisonabhängigen
Hafenrundfahrten mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Die vielen
Fenster der hohen Backstein-Getreidespeicher waren zugemauert, die imposanten
Gebäude zerbröselten witterungsbedingt und standen im merkwürdigen Kontrast zum
Rohbau einer neuen, eindrucksvollen Markthalle, die schon bald Eröffnung feiern
wollte, und zu dem gegenüberliegenden futuristischen Technologie- und
Forschungszentrum am Alten Holzhafen, von dem niemand so richtig wusste, was
dort drinnen eigentlich wirklich konkret erforscht wurde. Dazwischen
konkurrierten vier Fischverkaufskutter samt weiblichen Besatzungen, balgten
sich zahllose, stets hungrige Seemöwen und versanken im tiefen Schlick viele
verworfene Pläne, was alles mit diesem beeindruckenden Hafenareal zukünftig
möglich wäre …
    Die großen Segelohren meines Chefs begannen an der frischen Luft
schnell kräftig rot zu leuchten. Das waren aber auch schon seine auffälligsten
Merkmale. Ansonsten war er ein eher unscheinbarer Typ. Stets in Bluejeans
gekleidet, Jacke wie Hose, häufig ein Sweat- oder nur T-Shirt darunter, selten
ein gebügeltes Hemd. Gegen Oberkommissar Olaf Hansen wirkte ich – trotz
Feiertag – mit meinem Sakko von der Stange, meiner rahmenlosen Designerbrille
und dem Paar salopper Leinenturnschuhe komplett overdressed.
    Einige Schritte später standen wir vor einem ebenfalls hübschen,
etwas kleineren Segelboot, es schien verwaist. »Vandalia«, stand in schwarzen
gotischen Lettern am Heck des Schiffes, darunter wie üblich der Name des
Heimathafens: Wismar.
    Ein schnelles, leichtes Holzschiff, erklärte ich Hansen mit
Kennermiene.
    In meiner Jugend hatte ich mich zeitweise sehr intensiv mit der
Schifffahrt beschäftigt. Mein Traum war es, einmal zur See zu fahren,
vielleicht sogar Kapitän zu werden und, wie so viele junge Männer, von der
Durchquerung der Ozeane zu berichten.
    Nicht allein wegen meiner Kurzsichtigkeit rieten mir meine Eltern
damals ab, ich hätte so oft Nasen- und Zahnfleischbluten, damit gehe man nicht
leichtfertig auf See, da gebe es so schnell keinen Zahnarzt. Ich hatte mich
dann für den Polizeidienst entschieden, der Polizeibehörde schienen bei der
Einstellung das Zahnfleischbluten sowie die leichte Sehschwäche total egal.
    Nun, das Ganze war lange her, aber das eine oder andere Detail über
Schiffe und die Seefahrt hatte ich mir merken können. Mein Herz pocherte immer
noch, wenn ich ein schickes Schiff oder das offene Meer sah.
    Die »Vandalia« war ein einmastiger, schneller Küstensegler, gebaut
aus braunem Lärchenholz, knapp fünfzehn Meter lang, satte drei
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