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Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Titel: Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum
Autoren: Andrew Harman
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seit dem Morgenappell des mit eiserner Faust regierenden Seligen Feldkuraten P. Uri Tanner vergangen, da summte es in diesem Schnarcher-Camp wie in einem Bienenstock: Die Druckwalzen der Pergamentpressen setzten sich rotierend in Bewegung, der Formularvorrat für die Bescheinigungen zum Nachweis des Bedingungslosen Glaubens wurde wieder aufgestockt, der Gesandte der Großen Bekehrung von Krillingen mit allem gerüstet, was er für sein Missionswerk brauchte.
     
    Glitzernd und schlängelnd wie eine raubgierige rosafarbene Muräne auf Beutefang, flatterte die Zunge hin und her – der Oberbürgermeister konzentrierte sich intensiv auf die kleine pockennarbige Kugel, die vor ihm lag. Nebelhaft verschwommen trudelte ein Wirrwarr nie verstandener Formeln durch seinen Kopf – er versuchte, ihre Flugbahn zu berechnen. Unruhig scharrte er mit den Füßen, berichtigte und justierte, die Daumen faßten um den Griff des erhobenen Schlägers und hakten sich ineinander, trotzig starrte er den Eimer am anderen Ende des Zimmers an. Dann richtete er den Blick wieder auf den Ball, blickte ihn an, als wollte er ihn auf dem grünen Bodenbelag festnageln, holte aus und schwang den Schläger im Bogen durch die Luft, so rund und ebenmäßig, wie es ihm eben möglich war.
    In diesem Augenblick flog die Tür auf. Rücken voran ruderte der storchenbeinige Sekretär ins Zimmer, stolperte, wurde von einem von panischem Schrecken erfaßten Propheten überrannt und auf das kurzflorige Grün der kommunalen Auslegeware hingemäht. Aus war es mit der Konzentration des Oberbürgermeisters! Mitten im Schlag fuhr er herum und schrie, als das unschöne Geräusch, das der gemarterte grüne Bodenbelag von sich gab, leise kontrapunktiert wurde vom zischenden Klirren, mit dem der Croquetball durch den Nabel einer Engelsfigur aus gefärbtem Glas sauste.
    »Mein Handikap!« heulte Seine Gnaden Hein Cassierer, der siebenundachtzigste Oberbürgermeister von Krillingen.
    »Euer Gnaden, ich, äh …«, wollte der am Boden liegende Sekretär Einspruch erheben.
    »Wie oft hab ich dir schon gesagt, daß du anklopfen sollst!« schrie der pomadige Bürgerchef und verfärbte sich rapide hochrot.
    »Es war nicht meine Schuld. Ich …«, flehte der Sekretär, als der Bürgermeister mit drohend hin und her pendelndem Schläger auf ihn zukam.
    »Mein Handikap! Ich darf gar nicht dran denken!« fauchte Hein Cassierer wütend. »Wochenlang Trainingsüberstunden – für nichts! Zurück auf Tor eins! Weißt du überhaupt, was das heißt …?«
    »Ja, Euer Gemeinwürden, ich …«
    »Ist dir klar, daß im nächsten Monat das Croquet Open von Syndenthal stattfindet? Das ist dir doch klar, oder?«
    »Ja, Euer Liebenswürdigkeit …«
    »Und warum hältst du dich dann nicht an die vom Gemeinderat von Krillingen erlassene Direktive dreihundertfünfundachtzig, Schrägstrich sechs?«
    »Euer …?«
    »Muß ich dich wirklich jedes Mal wieder daran erinnern? Klopfen!«
    »Aber, Euer Gnaden …«
    »Ähmmm!« Nostromo stampfte gereizt mit dem Fuß auf den Boden und räusperte sich.
    »Er war es!« petzte der Sekretär und zeigte aufgebracht auf den Propheten.
    »Euer magersüchtiger Hungerkünstler wollte mich nicht vorlassen«, fauchte Nostromo. Er stampfte auf den Oberbürgermeister zu und deutete mit dem arthritischen Daumen über die knochendürre Schulter zurück. »Warten, hat er gemeint! Als ob dazu noch Zeit wäre!«
    »Laut Direktive des Gemeinderates von Krillingen, Nummer zwofünfsechsstrichacht a) …«, fing Bürgermeister Cassierer an. Es war ein Versuch, seine strapazierten Nerven mit einer gehörigen Dosis der schmerzlindernden Salbe Amtsgewalt einzureiben.
    »Erzählt mir nichts von irgendwelchen Gemeinderatsdirektiven!« kreischte der wütende Prophet. »Es sei denn, Ihr kennt eine, die vorschreibt, wie man angesichts des bevorstehenden Weltuntergangs ordnungsgemäß in Panik zu geraten hat!«
    Der Sekretär stand auf, sah an sich herunter und zuckte zusammen. Dann bürstete er sich mehrere Trittspuren von der Vorderseite seines Umhangs.
    »Verehrter Herr Kasein«, bestürmte der Bürgermeister den Propheten, »noch nie wurde etwas mit Zorn erreicht.«
    »Nicht? Und wie gewinnt man dann Kriege?«
    »Nun, das ist eine andere Sache. Ich will damit sagen …«
    »Strategie«, warf der Sekretär ein und entfernte einen weiteren staubigen Fußabdruck. Diesmal von einer sehr delikaten Stelle.
    »Ja, ja!« stimmte der zellulitische Würdenträger zu. »Aber wir sind nicht
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