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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut
Autoren: Taavi Soininvaara
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bedankt«, sagte Parola stolz.
    Der Tourist war noch ein paar Meter vom Saab entfernt und räusperte sich.
    »Entschuldigen Sie …«
    Parola und Leppä wandten sich dem Mann zu und erblickten den Lauf einer Pistole, die auf sie gerichtet war.
    Der Mann befahl ihnen, sich auf den Boden zu legen, und die
    Frau fesselte sie straff. Man hörte, wie irgendwo ein Motor gestartet wurde, und kurz darauf hielt ein großer Citroën Jumper neben dem Saab. Parola und Leppä wurden in den Laderaum des Transporters getragen, der sofort losfuhr.
    Die Frau ging zu dem Saab und schnallte das Mädchen ab. Sie trug das Kind zu dem uralten Diesel-Taunus und setzte sich mit ihm auf den Rücksitz. Der Mann gab Gas, so daß der Sand zur Seite flog, und fuhr in Richtung Fernverkehrsstraße 53. Von Westen näherte sich eine dunkle Wolkenfront.

|321| 55
    Ratamo saß schon zweieinhalb Stunden in dem kleinen Kebab-Kiosk der Kaufhalle von Hietalahti und wagte nicht, sein Versteck zu verlassen. Sein Hemd paßte ihm auch über der kugelsicheren Weste, aber er sah jetzt zehn Kilo dicker aus und schwitzte darunter. Er hatte jedoch nicht die Absicht, auf die Weste zu verzichten, bevor er sich in völliger Sicherheit befand.
    Es war Freitag und Mittagszeit, in der Halle wimmelte es also von Menschen, die ihre Wochenendeinkäufe erledigten. Seine Angst hatte so weit nachgelassen, daß er wieder klar denken konnte. Aber sie war immer noch da wie ein ungebetener Gast. Er wußte nicht, wie lange er noch bei Verstand bleiben würde.
    In wessen Auftrag handelten die Killer, die in Jalavas Wohnung zugeschlagen hatten? Ratamo dachte nach und strich sich über seine schwarzen Bartstoppeln. Steckten die Finnen dahinter, die Russen oder jemand anders? Niemand war imstande gewesen, ihm bei seiner Flucht von der Tehtaankatu bis nach Pukinmäki zu folgen. Hatte der SVR Pirkko aufgespürt und dann ihre Wohnung überwacht? Andererseits hatte der SVR schon einmal versucht, ihn zu kidnappen, um an die Formel für das Gegenmittel zu kommen. Warum hätte er ihn jetzt umbringen sollen? Ratamo hatte das alles satt. Das Ganze war einfach zu kompliziert. Der Versuch, es zu verstehen, war sinnlos. |322| Er mußte die Stadt verlassen und irgendein sicheres Versteck finden, aber wo? Nicht einmal Pirkko wagte er anzurufen, denn sein Telefon wurde abgehört und vielleicht auch schon das von Pirkko. Er fühlte sich noch schlechter, als ihm klar wurde, daß er auch Pirkko in Lebensgefahr gebracht hatte. Und er konnte es ihr nicht einmal sagen.
    Ratamo trank einen Schluck Kaffee und schaute auf die Uhr. Vier vor elf. Er steckte sich seinen letzten Priem in den Mund und warf die leere Dose in den Mülleimer. Nachschub an Vellus Kiosk zu holen, traute er sich nicht. Der Verkauf von Kautabak war seit dem Beitritt zur EU verboten, dennoch bekam man ihn unter dem Ladentisch an vielen Kiosken und noch dazu billiger als vor dem Beitritt. Auf den Fähren nach Schweden und Estland erhielt man ihn jetzt zu einem Spottpreis, und zwar so viel, wie man tragen konnte. Bürokratie ist die höchste Form des Humors, dachte Ratamo.
    Das Handy schrillte in seiner Brusttasche. Er überlegte eine Weile, ob er rangehen sollte oder nicht, doch dann wurde ihm klar, daß er dazu gezwungen war, wenn er seine Lage verbessern wollte.
    »Hier spricht Ihr Freund, dessen Gastfreundschaft Sie gestern nicht zu schätzen wußten.«
    Es war die Stimme des weißhaarigen Mannes vom SVR, der ihn verhört hatte. Ratamo schwieg einen Augenblick und versuchte sich zu konzentrieren. Wußte der SVR, wo er war?
    »Du hast zehn Sekunden Zeit, zu sagen, was du willst, bevor ich das Gespräch abbreche.« Ratamo war sich nicht sicher, ob er das Gespräch fortsetzen sollte. Er stand auf und ging los in Richtung des Marktes von Hietalahti.
    »Sie wissen genau, was mein Arbeitgeber von Ihnen will. Es war vielleicht vermessen, Sie um etwas so Schönes zu bitten, |323| ohne ein Gegengeschenk anzubieten. Deswegen haben wir uns entschlossen, für Sie etwas
Kleines
zu besorgen.«
    Ratamo war gelähmt wie ein Reh im Scheinwerferkegel. Er stand schweigend da, ohne zu atmen, und spürte den Geschmack von Galle im Mund.
    »Vati, komm hierher!« Man hörte, daß Nelli dem Weinen nahe war. Ratamos Kopf schien blutleer zu sein.
    Mehr ließ man Nelli nicht sagen.
    »Ist Ihnen ein Treffen um zwölf Uhr an der Spitze der Hernesaari recht? Da, wo der Schnee abgeladen wird, gleich hinter dem Hubschrauberlandeplatz. Sie bringen die Formel für das
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