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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut
Autoren: Taavi Soininvaara
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Brusttasche seiner Uniformjacke.
    Die Männer wollten noch mehr über den Hintergrund des Auftrags wissen. Als Metso ihnen sagte, daß Parola und Leppä während dieses Einsatzes verschwunden waren, verstummten sie.
    Selbstsicher beteuerte Metso, daß es sich um einen für die nationale Sicherheit absolut unumgänglichen Auftrag handelte. Er betonte, Vairiala habe den ursprünglichen Befehl schon vor geraumer Zeit gegeben, und auch Siren sei genau über die Operation informiert und habe sie genehmigt.
    Die Soldaten stellten keine Fragen mehr. Jetzt wurde es ernst.
    Metso wünschte ihnen viel Erfolg und verließ den Raum.
    Die Männer zogen sich die vor Feuer schützenden Kommandomasken übers Gesicht und setzten die kugelsicheren Kevlar-Helme auf. Sie nahmen die kurzläufigen 9-mm-Maschinenpistolen MP5 von Heckler & Koch und gingen zu den Garagen, bereit, ihren Auftrag auszuführen. Es war Freitag, elf Uhr siebzehn.

|330| 57
    Zwei große Krähen raubten einem kleinen Vogel auf dem Fußweg ein Stück Fleischpastete. Der lebhafte Spatz begriff nicht, daß es für ihn besser war wegzufliegen, sondern wollte auch etwas abhaben. Mit gezielten Schnabelhieben zerhackten die Krähen den Spatz in Stücke und fraßen den blutigen Brei. Voller Ekel verfolgte Ratamo das Schauspiel von seinem Platz am Fenster im »Salve« und überlegte, ob ihn wohl in Hernesaari das Schicksal des armen Spatzen erwartete.
    Die Zeiger der Uhr auf einer Bierwerbung an der Wand näherten sich halb zwölf. Nach dem Anruf des SVR war Ratamo eine Weile in Hietalahti herumgelaufen und hatte versucht, sich von dem Schock zu erholen. Es war ihm nicht gelungen. Er empfand eine ganz neue Dimension der Angst und versank in einer dunklen Welt des Entsetzens, das er überall im Körper als brennenden Schmerz spürte. Es verwirrte ihn noch zusätzlich, daß er den Tod seines Kindes mehr fürchtete als seinen eigenen.
    Es schien keinen Ausweg aus der Sackgasse zu geben. Er war sicher, daß der SVR ihn umbringen würde, sobald er die Formel für das Gegenmittel bekommen hatte. Und er hatte Angst, daß man auch Nelli töten würde. Der SVR ließe wohl kaum einen Augenzeugen der Liquidierung frei, selbst wenn es sich nur um ein sechsjähriges Mädchen handelte. Er mußte jedoch zu dem Treffen gehen, sonst bekäme er nicht einmal die theoretische |331| Chance, Nelli in Sicherheit zu bringen. Gerade als Ratamo den Rest seines Bieres aus der Flasche trank, setzte sich an den Tisch gegenüber eine junge Frau, die eingeschüchtert wirkte. An den Ärmeln ihres schmutzigen Jogginganzugs waren mit Sicherheitsnadeln Handschuhe befestigt. Sie holte aus ihrer verschossenen Stofftasche ein Schokoladenbonbon heraus, es sah aus, als hätte sie Angst, jemand könnte es bemerken. Sie wickelte das Bonbon aus, steckte es verstohlen in den Mund und trank von ihrem Kaffee.
    Voller Mitleid beobachtete Ratamo, wie verunsichert sich die Frau umschaute. Es schien so, als suchte sie Gesellschaft. Ratamo hätte der einsamen Frau gern irgendwie geholfen. Warum mußte ein Teil der Menschen immer isoliert wie Leprakranke leben. Vielleicht war es so, daß die Menschen unter sich eine geringe Anzahl Geächteter brauchten, um sich zu beweisen, wie erfolgreich sie selbst waren und wie gut es ihnen ging.
    Ratamo schreckte aus seinen Gedanken auf, als das Handy schrillte. Wer war das? Der SVR hatte schon mitgeteilt, was er zu sagen hatte, und die Aufklärungsabteilung kannte seine Nummer nicht. Es mußte also Pirkko sein. Er beschloß, sich zu melden, und glaubte nicht, daß noch etwas Schlimmeres passieren könnte.
    »Gute Nachrichten. Ich habe …«
    Ratamo unterbrach sie: »Sag bloß nichts Wichtiges. Dieses Telefon wird abgehört. Der SVR hat Nelli gekidnappt. Wir haben ein Treffen auf der Spitze von Hernesaari um zwölf Uhr vereinbart.« Ratamo staunte selbst, wie ruhig und sicher seine Stimme klang. Für einen Augenblick schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, wie seltsam es doch war, daß der SVR ihn entführt hatte, kurz nachdem er Pirkko im Café bei Stockmann |332| getroffen hatte, und daß der Mordversuch am Morgen geschehen war, kurz nachdem Pirkko die Wohnung verlassen hatte. Er wollte diesen Gedanken aber nicht weiterführen. Auf irgend etwas mußte er sich einfach verlassen können.
    »Geh nicht dahin. Du stirbst ganz bestimmt!« sagte Pirkko erregt.
    »Ich habe keine Alternative. Ich ertrage den Gedanken nicht, daß Nelli auch nur eine Sekunde länger in den Händen dieser Leute
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