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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman
Autoren: Taavi Soininvaara
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eingeschlagen.
    Den Weg ohne Wiederkehr.

SAMSTAG
    In der Gegenwart
1
    Eeva Hallamaa warf die Tür ihres Arbeitszimmers zu und ging zur Treppe, ihre schnellen, energischen Schritte auf dem hellgrauen Fußboden im Exactum, einem Gebäude des Instituts für Mathematik und Statistik der Universität Helsinki, dröhnten durch den ganzen Flur. Die Lektorin hatte den Samstagvormittag damit verbracht, das am Montag beginnende Seminar für den Kurs der forschungsorientierten Studenten vorzubereiten, zumal auch ihre Familie nicht da war: Mikko fotografierte auf einer Hochzeit seiner Verwandten in Jyväskylä, und Kirsi war bei einer Klassenkameradin. In den letzten Wochen hatte sich Eeva so gut gefühlt wie lange nicht, aber heute war das Verlangen nach Amphetamin aus irgendeinem Grund wieder erwacht. Sie erinnerte sich nur allzu gut, wie selbst eine kleine Dosis Speed den Stress löste, entspannend und zugleich elektrisierend wirkte, wie dadurch die Lebensfreude und die Farben zurückkehrten …
    Die Jahre, in denen sie Drogen genommen hatte, gingen ihr durch den Kopf, während sie die Wendeltreppe zum Foyer des Exactums hinunterstieg. Sie dachte daran, wie sie die Studenten bei den Partys der Fachschaft »Matrix« mit ihrer Energie mitgerissen hatte, wie sie nachts um drei aufgestanden war, um an ihrer Dissertation zu arbeiten … In rascher Folge tauchten Bilder von Ereignissen auf, eines angenehmer als das andere, bis plötzlich Kopfschmerzen einsetzten, als würde ein Bohrer in ihren Schläfen dröhnen. Eeva holte eine Packung der vom Arzt verschriebenenSchmerztabletten aus der Tasche. Die trug sie immer bei sich. Die Drogenabhängigkeit glich einem schlauen Tier, sie akzeptierte nur die schönen Erinnerungen, vergoldete sie und hielt allen Schmerz und Ärger von ihrem Opfer fern. Das vermochte kein einziger Mensch, selbst wenn er andere noch so gut überreden oder verführen konnte.
    Eeva blieb im Foyer stehen, als sie ihr Spiegelbild in den Fensterscheiben sah. Ihre blonden Haare lagen zu dicht an, und im Gesicht hatte das Leben seine Spuren hinterlassen. Die Schicksalsschläge waren auf der Haut abzulesen, obwohl sie einen Menschen von innen aufzehrten. Sie versuchte sich einzureden, dass ein wenig Make-up genügen würde, um alles wieder in Ordnung zu bringen, dann strich sie über ihre dunklen Augenbrauen und überlegte, wann das letzte Mal jemand gesagt hatte, sie sei schön. Das war erst vor ein paar Wochen im Restaurant »Ahven« in Punavuori gewesen. Als ihr das einfiel, fühlte sie sich sofort besser. Trotzdem wollte sie die tägliche Dosis Kalktabletten erhöhen, obwohl ihr klar war, dass sie mit ihrem Gesundheitsenthusiasmus den Schaden, den sie ihrem Körper in den selbstzerstörerischen Jahren zugefügt hatte, nicht wiedergutmachen konnte.
    Die trockene Kälte des Dezembertages schlug ihr ins Gesicht, als sie die schwere Holztür des Exactums öffnete. Die kalte Luft auf der Haut tat gut, alles, was von dem Verlangen nach Speed ablenkte, empfand sie als Erleichterung. Sie war schon ein Jahr lang sauber, aber die Sehnsucht nach Speed packte sie immer noch gelegentlich, mit regelmäßiger Unregelmäßigkeit. Zum Glück geschah das immer seltener. Sie hatte den Geruch der Abteilung für Suchtpsychiatrie in der Välskärinkatu noch in der Nase, überraschenderweise bewirkte diese Erinnerung, dass sich ihre Laune besserte. Dahin würde sie niemals zurückkehren.
    Der Fußweg zwischen den Universitätsgebäuden warglatt, Eeva lief vorsichtig, rutschte dennoch auf schwarzem Eis aus und landete auf dem Hinterteil. Das Steißbein schmerzte, sie fluchte, verstummte aber, als ihr ein paar Studenten entgegenkamen, die sie kannte. Sie stand auf und klopfte sich den Schnee von den Hosen.
    »Hallo Eeva. Wir sehen uns doch nächste Woche auf der Party, oder?«, rief ihr einer von ihnen zu.
    »Na klar.« Ihre Antwort sollte fröhlich klingen. Zumindest die Studenten mochten sie, ihre Kollegen wurden nie zu Feiern der Fachschaft eingeladen. Sie fühlte sich unter den jungen Leuten so wohl, dass sie schon lange nicht mehr dem Aufstieg auf der Karriereleiter nachtrauerte, den sie sich selbst wegen der Drogen verbaut hatte.
    Sie überquerte die Pietari Kalmin katu, ging den Fahrradweg hinunter zur Kustaa Vaasan tie und bog dann ab zur Straßenbahnhaltestelle. Ihr fiel das »Abstinenzversprechen« ein, das sie Mikko gegeben hatte, und sie wurde wütend auf sich: Jetzt, wo endlich alles gut lief, musste sie sich einfach
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