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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman
Autoren: Taavi Soininvaara
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nächsten Ampel im Handschuhfach, holte eine CD heraus, und kurz danach erklang aus den Lautsprechern Cales Titel »Call Me the Breeze« in einer Version von Lynyrd Skynyrd. Ein bisschen Abwechslung musste sein.
    An der Kreuzung mit der Postikatu beschleunigte er seinen Käfer, fuhr über den Fußweg zum Mannerheiminaukio und entdeckte schon von weitem einen freien Parkplatz zwischen dem Kunstmuseum Kiasma und dem Postgebäude. Ratamo fluchte, als die Bremsen blockierten und der Käfer an der Parkbucht vorbeirutschte. Es war der 3. Dezember, und er fuhr immer noch mit Sommerreifen; vielleicht fand sich am nächsten Tag Zeit für den Reifenwechsel. Ratamo stieß zurück und parkte seinen alten Kampfgefährten. Er legte die Parkerlaubnis auf das Armaturenbrett und stieg aus; in der Kälte draußen kam es ihm wärmer vor als in seinem zugigen Auto. Er war müde. Den größten Teil der letzten Nacht hatte er wach gelegen und sich herumgewälzt: Die Tenox-Tabletten, die ihm der Arzt gegen die Einschlafschwierigkeiten verschrieben hatte, wirkten wie der schwedische Humor, von dem Medikament fühlte er sich noch verschlafener und benommener als sonst. Es wunderte ihn immer noch, dass der Arzt ihm Pillen verordnet hatte, die auch zur Behandlung von vorübergehenden Überlastungssymptomen und Depressionen angewendet wurden. Der Arzt hatte behauptet, er leide unter Stress. Möglicherweise stimmte das auch, vielleicht war ihm selbst nicht mehr klar, welch tiefe Spuren die schlimmsten Ermittlungen der letzten Jahre bei ihm hinterlassen hatten. Zum Glück konnte er sich derzeit zumindest am Wochenendeausruhen, bei der SUPO herrschte schon geraume Zeit Ruhe.
    Ratamo öffnete die Eingangstür zum Kiasma mit viel Schwung, klopfte sich im Windfang den Schnee von den Schuhen und ging mit kleinen Schritten durch die Drehtür ins Foyer. Er kam zu spät zur Eröffnung von Ilonas Ausstellung, so spät, dass er sich nun auch nicht mehr zu beeilen brauchte.
    Er hatte etliche Dinge zu erledigen gehabt, und dabei war der Vormittag so schnell vergangen, dass er es nicht mehr geschafft hatte, nach Hause zu gehen und sich umzuziehen. Er trug Wanderstiefel, abgenutzte Jeans und eine ausgebleichte Ölzeugjacke. Zum Repräsentieren wäre dieses Outfit höchstens auf dem Fischmarkt geeignet gewesen.
    Ratamo hängte seine Jacke an der riesigen Garderobe im Foyer auf, holte den Kautabak unter der Lippe hervor und warf ihn in den Mülleimer. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er früh ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck »Remember the Valamo« angezogen hatte. Doch er sagte sich, dass es sinnlos war, sich jetzt darüber Gedanken zu machen, und ging die Dutzende Meter lange weiße Rampe hinauf in die erste Etage. Vor der Tür zum Printti-Saal blieb er stehen und fuhr sich mit der Hand durch das kurzgeschnittene schwarze Haar, obwohl er wusste, dass es vergeblich war. Dann zeigte er dem mürrisch dreinschauenden Angestellten an der Tür seine Einladung. Die Schiebetür öffnete sich mit einem Rauschen, und er betrat den Ausstellungssaal.
    Der offizielle Teil der Veranstaltung konnte jeden Augenblick beginnen, im Saal hatten sich schon Dutzende Gäste versammelt. Ratamo schaute sich um und stellte fest, dass er von allen Besuchern mit großem Abstand am unordentlichsten gekleidet war. Seine Freundin Ilona, die an diesem Abend im Mittelpunkt stand, war wie üblich in einer sehr speziellen Aufmachung erschienen.
    Das Publikum im Saal verstummte, als sich eine Frau mittleren Alters in einem festlichen Kleid räusperte und ihre Ansprache begann.
    »Die Bildhauerin Ilona Si erschafft schon seit Jahren spritzige und nuancenreiche Kunstwerke, deren landschaftliche und mentale Dimensionen bei den Kunstliebhabern eine Andacht und Verwunderung erzeugende Widersprüchlichkeit hervorrufen. Ihre Werke beeinflussen unsere Auffassung davon, was die finnische modernistische und der Tradition des Modernismus verpflichtete Bildhauerkunst ist. Ilona Sis Werke überzeugen durch ihre dunkle Mysteriösität und ihre Materialdichte, ihr facettenreicher Minimalismus ist auch insofern exzeptionell, als er sehr wohl den Herausforderungen einer Fokussierung aus nächster Nähe gewachsen ist.«
    »Wo ist hier ein Dolmetscher?«, fragte Ratamo einen Mann im dunklen Anzug, der neben ihm stand und ihn nun verwundert anschaute. Ratamo trat näher an die größte Installation der Ausstellung heran, betrachtete das Werk und versuchte es zu verstehen. Vergebens. Das merkwürdige Ding sah
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