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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst!
Autoren: Bernd Gieseking
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Bärensehnen zwischen den Zähnen!
    »Lilja, wann werdet ihr die Sonne wieder sehen?«
    Lilja lachte ihr schönstes Mädchenlachen, tat, als würde sie die Hände auf einen imaginären Zaun legen und nur ganz kurz darüber schauen, um dann sofort wieder zu verschwinden: »Am 15 . Januar wird die Sonne ganz kurz reinschauen – und schon ist sie wieder weg!«
    Dann flogen wir zusammen nach Helsinki. Lilja wollte ihren Sohn besuchen. Niemand wollte am Flughafen meinen Ausweis sehen. Das hatte ich bislang nur in der kanadischen Arktis erlebt. So weit nördlich rechnet offensichtlich niemand mit Attentaten und Flugzeugentführungen. Terrorismus ist wahrscheinlich auch eine Frage der Breitengrade. Liljas Rentierfleisch durfte mit ins Bordgepäck. Explodiert wahrscheinlich nicht. Lilja plauderte mit dem Servicemann von Finnair. Er erzählte uns, dass in der letzten Nacht in Frankfurt Tausende wegen Schneefall auf dem Flughafen festgesessen hätten und dort übernachten mussten. Hier in Lappland, bei minus  24  Grad, flogen alle Flieger pünktlich. Schnee ist auf finnischen Flughäfen kein Problem, sondern Alltag. Das Flugzeug, das landete, war bis auf den letzten Platz besetzt gewesen. Nun stiegen wir ein. Es füllte sich nicht einmal zu einem Drittel. Nach Lappland will man hin, nicht weg!
    Ich flog der Sonne entgegen. 600  Kilometer weiter südlich sah ich aus dem Flugzeugfenster das erste Mal seit Tagen eine leichte Rotfärbung am Horizont. Langsam verschwand das ewige Blau. Wolken wurden weiß. Die Horizontlinie schimmerte rötlich-gelb, dann in Regenbogenfarben. Ich hatte plötzlich ein altes Kampflied, ein Lied, von Hannes Wader gesungen, in den Ohren: Dem Morgenrot entgegen. Meine zweite Finnlandreise, meine erste Winterreise, war fast zu Ende. From dusk till dawn. Minuten später sah ich nach fast einer Woche wieder die Sonne knapp über dem Horizont aufgehen. Ein erster Lichtblitz zerriss das trübe Graublau. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte mich. Wie muss es den Finnen gehen, wenn sie das nach Monaten wieder erleben? Die Sonne! Grell blendend schaute sie über die Wolken und grinste mich an, zwinkerte mir und meinem Kameraobjektiv zu. Das Bild ist nichts geworden. Überbelichtet!
    Mein Sitznachbar zur Linken fragte mich, was ich in Lappland gemacht hätte.
    »Ich wollte Dunkelheit und Kälte erfahren.«
    »Stupid German!«, lachte er. Verrückter Deutscher! Aber das hatte Viivi auch schon gesagt.
    Wir trafen Liljas Sohn am Gepäckband. Sie war erschöpft. Die Reise ging ihr zu schnell. Sie warte noch auf ihre Seele, sagte sie. Die sei noch unterwegs. Es würde ein wenig dauern, bis auch die angekommen sei. Solange sei sie kein ganzer Mensch. Und nun die große Stadt. Die vielen Menschen. Drei Wochen würde sie bleiben. Sie hatte schon jetzt Heimweh nach Lappland. Wir umarmten uns. Dann ging sie.
     
    Ich wartete auf meinen Weiterflug nach Düsseldorf. Ich aß ein Brötchen mit Rentierfleisch. Ich trank
Lapin Kulta
. Finnisches Gold. »Renntier-Pisse«. Ich dachte an Matti. Draußen wehte der Schnee über die Landebahnen. Ich erinnerte mich wieder an unsere Sommerreise, an unsere Wochen in Finnland, mit Eltern beim Bruder. Damals war sengende Hitze. Ich fragte mich, wo meine Seele sei. Ich glaube, sie bleibt manchmal ganz zu Hause und lässt mich allein reisen. Sie wartet dort in Ruhe, bis ich wieder heimkomme. Meine Seele hätte hier nicht wieder fortgewollt.

Dank
    Verschiedene Menschen haben Unterschiedliches beigetragen zu diesem Buch. Die einen haben mir ihre Geschichten anvertraut, andere haben mich ermutigt, ermuntert und begleitet, inspiriert und Korrekturen angeregt. Ich möchte mich besonders bedanken bei meinen Eltern Hermann und Ilse in Minden, die diese Reise machen wollten und derentwegen ich anfangs überhaupt nur losgefahren bin. Ohne meinen Bruder Axel und seine Freundin Viivi hätte es gar keinen Grund gegeben, nach Finnland zu reisen. Sie waren wunderbare Gastgeber und Reiseführer und auch danach für mich unverzichtbare Helfer und Informationsquellen, genau wie Viivis Eltern Kati und Matti, in deren
mökki
ich inzwischen sogar ein eigenes Saunasitzkissen habe, mit meinem Namen!
    Ich bedanke mich für Unterstützung, Hilfe und Gespräche, für Inspirationen und Informationen, Offenheit und Freundschaft bei Marja-Riitta und Paula in Tampere, besonders auch für die »finnischen Korrekturen«, Telle aus Neuruppin, Hajo und Anna Maj in Kokkola, Samuel und Maija in Lahti, Titta,
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