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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut
Autoren: Tatjana Kruse
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Teddy unter dem Tisch hervor und setzte sich erwartungsvoll neben den Kühlschrank. Seine Knickrute führte mal wieder ein Eigenleben und tanzte den Mambo. Onis und sein Schwanz wussten um die Saitenwürstle im mittleren Regalfach. Pawlow dirigierte, Speichel tropfte auf den Teddy und am Teddy vorbei auf den Fliesenküchenboden.
    Um diesen Teddy hatte es anfangs heftige Auseinandersetzungen gegeben. Seifferheld hatte es für einen gestandenen Männerhund unpassend gefunden, mit so einem rosa Teil im Maul herumzulaufen. Aber im Kampf Mann gegen Hund hatte – natürlich – der süße Schnuffel auf vier Beinen gewonnen. Onis war zwar mittlerweile ein ausgewachsener Hovawart, aber ihn umgab noch immer die Aura eines knuffigen Welpen. Und seine welpengleichen Augen sandten in diesem Moment unmissverständlich eine telepathische Botschaft an sein Herrchen: Saitenwürste! Jetzt! Sofort!
    Aber Seifferheld schnitt sich erst einmal in Ruhe zwei Scheiben Brot ab, butterte sie reichlich und schraubte das Waldhonigglas auf. Das hatte er seinerzeit in der Hundeschule gelernt: Der Alphahund isst immer zuerst.
    Und dass Siggi Seifferheld ein Alpharüde war, stand außer Frage. Mal abgesehen von seiner Hüfte fühlte er sich so prächtig wie lange nicht mehr, obwohl er kein junger Kerl mehr war. Wenn demnächst vorn eine Sechs stand, war er schlicht und einfach alt. Da biss die Maus keinen Faden ab. Doch egal, dies war die beste aller Zeiten, um 60 zu werden. Und er hatte noch einmal etwas völlig Neues gewagt: Er hatte sich geoutet.
    Nein, nicht als schwul.
    Als Sticker.
    Zum letztjährigen Welttag des Stickens war er mit seinem heimlich angefertigten Wandbehang
Leda und der Schwan
zum Treffen der Schwäbisch Haller Stickgruppe gegangen (wobei man in der Leda unschwer seine Freundin MaC und in dem Schwan ihn selbst erkennen konnte. Ein äußerst gewagtes Unterfangen in einer Stadt von nicht einmal 40 000 Einwohnern, wo jeder jeden kannte und Spekulationen zum Thema »wer mit wem« als beliebter Freizeitspaß galten). Auf ihn als einzigen Mann unter einem guten Dutzend Frauen richtete sich fortan natürlich alle Aufmerksamkeit. Wenn er gewusst hätte, wie sehr ihn die Frauen umschwärmen und umgurren und betütteln würden, hätte er sich schon viel eher geoutet.
    Allerdings waren leider nur die Fremdfrauen so überaus charmant zu ihm gewesen. Seine eigenen hatten auf sein Coming-out anders reagiert. Sie fanden sein Hobby furchtbar, und es erboste sie vor allem, dass er es ihnen so lange vorenthalten hatte:
     
    »Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?« Herzensdame Marianne (vorwurfsvoll)
    »Willst du nicht etwas Sinnvolleres mit deiner Zeit anfangen?« Tochter Susanne (verständnislos)
    »Wenn schon gestickte Kissensprüche, dann doch bitte was gesellschaftspolitisch Relevantes wie ›Nie wieder Krieg!‹ oder ›Für mich nur Ökostrom!‹.« Nichte Karina (kämpferisch)
    »Leda und der Schwan? Siggi, also wirklich, pure Pornographie! Du solltest dich was schämen!« Seine ältere Schwester Irmgard (frisch verehelichte Pfarrersfrau und päpstlicher als der Papst, obwohl Lutheranerin)
     
    Für Siegfried Seifferheld war es dennoch ein ganz besonderer Befreiungsschlag gewesen. Nie wieder heimlich sticken! Ein sagenhaft beglückendes Gefühl der Freiheit! Und heute wollte sogar eine SWR -Frau aus Heilbronn vorbeikommen und ihn zu seinem Hobby interviewen. Es hatte sich herumgesprochen, dass es in Schwäbisch Hall einen stickenden Mann gab.
    Seifferheld biss beherzt in sein Honigbrot.
    Hovawart Onis hob eine Augenbraue, schnaufte, drehte sich zur Seite und kratzte nachdrücklich an der Kühlschranktür. Wenn Telepathie nicht half, musste man eben die Pfoten zum Einsatz bringen.
    Menschen.
    So was von begriffsstutzig
    Verschwende keine Gedanken an die Menschen aus deiner Vergangenheit – es hat einen Grund, warum sie es nicht in deine Zukunft geschafft haben!
    Tagebuch der Karina Seifferheld:
    Was ich brauche, sind zwei Eimer Mut, das Richtige zu tun! Ich weiß, dass ich meinen Fela nicht betrogen habe. Okay, ich habe mit einem elenden Schürzenjäger fremdgeknutscht, mit diesem dämlichen Bullen namens Viehoff, das stimmt. Aber vom Rumknutschen kriegt man keine Babys, auch wenn ich beim Knutschen durchaus mal tiefergerutscht sein könnte. Ich bin doch keine Boris Beckersche Wäschekammeraffäre! Und selbst wenn, wäre mein Baby weiß, also schweinchenrosa, und nicht gelb. Wie kann das angehen? Ist nächtens ein chinesischer
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