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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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mit eiligen Schritten die Treppe hinunter, bevor Mertens vielleicht doch noch Fragen zum Facebook-Ripper stellte. Dann setzte sie sich in ihren Wagen, schaute sich die Adresse des Hauses von Silvia Borchert noch einmal an und fuhr los.
***
    Mitten in einem Waldgebiet befand sich eine große Lichtung mit einer Anhöhe, auf der das Haus stand, das nun als Lager diente. Graue Wände, so trostlos wie die bleierne Farbe des Himmels, verschlossene Fenster, die wie blinde Augen ins Nichts starrten. Zersplitterte Baumstämme ragten wie abgebrochene Zähne aus dem schlammigen Waldboden. Die Bäume, die noch standen, reckten ihre mittlerweile fast kahlen Äste gen Himmel wie ein gigantischer Krake.
    Das Haus hatte etwas Gedrungenes wie ein Tier auf der Lauer, als hätte es sich der Stürme und der tief hängenden Wolken wegen, die über die Anhöhe hinwegzogen, eingegraben und würde mit seinen grauen Fenstern und der Tür aus dem Boden hervorspähen wie ein Soldat aus einem Schützengraben.
    Die Wahrheit liegt unter der Oberfläche , dachte Clara. Sie dachte an den Vergleich mit den Steinen, die sie in ihrem Beruf immer wieder umdrehen musste – Steine, die oben glatt und sauber aussahen und unter denen, sobald man sie hochhob, Maden und Insekten inmitten von Aas und Exkrementen wimmelten.
    Und dieses Haus? Dieses gedrungene große Haus? Sie wusste jetzt, dass es nicht mehr bewohnt wurde, aber es strahlte irgendetwas Düsteres, Bedrohliches aus. Beinahe wie ein Spukhaus , ging es Clara durch den Kopf.
    Sie nahm die Waffe in die rechte Hand und schob sie in die rechte Manteltasche. Dann ging sie auf die Haustür oberhalb der Veranda zu. Eine massive Tür und ein vergilbtes Klingelschild.
    Der Name darauf war nicht mehr zu erkennen.
    Sie drückte vorsichtig die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich. Nicht mit dem unheimlichen Knarren, das Clara erwartet hatte, sondern leise und mühelos. Die Tür gab den Blick frei auf einen dunklen Korridor.
    Clara holte tief Luft, öffnete die Tür noch ein Stück und trat über die Schwelle.

13.
    Im Haus war es totenstill.
    Ein seltsames Gefühl überkam sie.
    Spukt es in diesem Haus tatsächlich?
    Angst kroch in ihr hoch. Trotz ihres pochenden Herzens atmete sie, so leise sie konnte. Nicht nur wegen der lastenden Stille und der bedrückenden Atmosphäre. Es gab noch einen weiteren Grund: Clara hatte das unbestimmte Gefühl, dass jemand anders sie hören könnte.
    Das trübe Licht der grauschwarzen Abenddämmerung schien von draußen in den Korridor und warf Claras Schatten in matten Farben auf den knarrenden Dielenboden. Luft zog von irgendwoher über den Flur. Sie war kalt und muffig, als käme sie aus einer unterirdischen Höhle.
    Clara öffnete vorsichtig die Tür zu ihrer Rechten, die Pistole in der Manteltasche entsichert und fest im Griff. Sie gelangte in ein Wohnzimmer. Das Materiallager schien im hinteren Teil des Hauses zu sein; hier sah alles noch so aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur wenig Licht fiel durch die halb geschlossenen Jalousien in den Raum. Eine Couch, ein Tisch mit einer altmodischen, vergilbten Tischdecke. In der Nähe der Tür stand ein Telefon. Staub und Schmutz lagen auf den Regalen. Und als Clara die Tür geöffnet hatte, war irgendetwas über den Teppich gehuscht.
    Ratten.
    Zu ihrer Linken befand sich ein weiterer Raum. Offenbar ein Gästezimmer, denn Clara erblickte eines der altmodischen Betten mit riesigen Sprungfedern in der Matratze, die um die Länge einer Hand nachgaben, sobald man sich daraufsetzte. In diesem Zimmer waren die Jalousien ganz unten. Clara knipste die Taschenlampe an. Der Lichtstrahl kroch über die Wände und über einen altmodischen Servierwagen, auf dem verstaubte Gläser standen.
    Hinter dem Korridor befand sich eine weitere Tür. Clara öffnete sie vorsichtig und bewegte sich tastend in den Gang, die Taschenlampe auf den Boden gerichtet.
    Hier ist niemand, sagte sie sich. Du verschwendest deine Zeit.
    Dennoch ging sie mit langsamen Schritten weiter, den Lichtstrahl auf den Boden gerichtet, die Waffe in der rechten Tasche fest umklammert.
    Nach einigen Metern kam sie zu der Öffnung, wo ihr der kalte, muffige Wind entgegenströmte. Eine Luke im Boden war geöffnet, und eine schiefe Treppenflucht führte nach unten. Zugige, nach Erde riechende Luft wehte aus der Öffnung, die sich vor Clara auftat wie ein fauliger Rachen. Sie tastete sich die Treppe hinunter, die Taschenlampe in der einen Hand, die Waffe in der anderen.
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