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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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spannend, sexy. Und unmoralisch. Erstere sind sauber, manchmal langweilig und manche davon sind fast schon heilig.
     
    Apropos heilig: Sina würde sich nie mit mir treffen, wenn sie einen Freund hätte. Ich glaube, sie ist noch Jungfrau — und ich habe keine Ambitionen, das zu ändern. Und lupenreines Freundinnenmaterial …
     
    Ja, Freundinnenmaterial unterscheidet sich signifikant von Vögelmaterial. Eine Denke, die man bei so gut wie jedem Mann findet. Ganz besonders bei mir. Damit wären wir bei einem meiner zentralen Konflikte angelangt: Dem
Madonna-Whore-Komplex
nach Sigmund Freud. Klar, das meiste Freudsche Material ist heute widerlegt — der
Madonna-Whore-Komplex
allerdings nicht. Ein Mädchen wird auf ein Podest gestellt, in allen anderen wird eher die Bordsteinschwalbe gesehen. Außer in Mutti natürlich. Wie Elvis, der war genau so drauf.
     
    Dementsprechend hatte ich bisher keinen Sex mit Sina und plane auch keinen, mehr als harmlose Küsschen läuft da nicht.
     
    Und das, obwohl Sina vielleicht das schönste Mädchen ist, das ich je gesehen habe. Makellose Haut — bis auf eine kleine Narbe an der Nasenwurzel, die sie seit ihrer Kindheit hat und die verhindert, dass ihr Gesicht zu glatt erscheint. Bei perfekt geschwungenen Lippen, einem putzigen Näschen und Augen wie aus einem Manga bestünde diese Gefahr durchaus …
     
    Sina ist keine dieser aufgetakelten Hobby-Kosmetikerinnen, die vor Dates tagelang vor dem Spiegel stehen. Sie strahlt diese besondere Art seltener Natürlichkeit aus: Kein Make-up, zu besonderen Gelegenheiten höchstens etwas Wimperntusche. Statt aufgehellter Haare trägt sie ihren Naturblondton — echter Frankfurter Straßenköter, und ein wunderschöner noch dazu. Dazu leichte Locken ohne stylischen und grottenhässlichen Trendschnitt. Keine übertrieben schmal gezupften Augenbrauen, sondern eine vollkommen natürliche Form. Ihre Fingernägel sind sorgfältig gefeilt und so echt wie ihr Lachen.
     
    Im Sommer trägt sie gern Kleider. Wenn die Sonne auf Sinas Beine fällt und man es weiß, sieht man manchmal, dass sie sich dort nicht rasiert. Nur ein weißblonder hauchzarter Flaum bedeckt ihre Haut — eine Rasur wäre mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
     
    Sina ist nicht nur äußerlich schön. Unter ihrer Haut schimmert ein warmes, helles Licht — nichts als pure Grazie und Eleganz. Was manche für langweilig halten mögen ist für mich anmutig. Sina widmet allem, was sie tut, ihre volle Aufmerksamkeit. In jeder Situation erscheint sie präsent. Ich könnte ihr stundenlang zuschauen, alles was sie tut, trägt diesen Zauber in sich. Ihre Bewegungen fließen, ihr ganzes Wesen strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Sie handelt oder redet nie unüberlegt, ihr Sprachgefühl ist fantastisch und ihr Allgemeinwissen beeindruckend.
     
    All das kann man nicht lernen. Niemand kann so werden. So wird man geboren. Halb als Mädchen, halb als Göttin.
     
    Ironischerweise berate ich in meiner Funktion als Dating Coach häufig Klienten zum Thema
Madonna-Whore-Komplex
, unter dem ich selbst leide. Gleichzeitig bin ich das beste Beispiel dafür, dass diese Denkstrukturen nur schwer zu verändern sind.
     
    Was bin ich heute wieder selbstreflektiert …
     
    Sina und ich haben ein Date bei einem kleinen und gar nicht mal so feinen Italiener im Westend. Und meine Paranoia wird nicht besser, sondern schlimmer. Registriere überall Blicke und Getuschel.
     
    Am Ende erweist sich meine Paranoia als gerechtfertigt: Ohne dass ich etwas davon mitbekomme wird Sina beim Gehen gefragt, was sie denn mit einem wie mir wolle.
     
    „Gute Frage, aber mir fällt auf die Schnelle niemand ein, mit dem ich diesen Abend lieber verbracht hätte.“
     
    Auch wenn Sina die Situation wohl mit ihrer typischen Besonnenheit entschärft hat: Ich hatte wirklich schon bessere Abende.
     
    ***
     
    Dienstagabend steht die
Luna Bar
auf der Agenda, weil ich mich dort umhören will. Ich kenne die Barkeeper, sie kennen mich und gehören zu den gewöhnlich gut informierten Kreisen Frankfurts.
     
    Meine Verabredung für heute Abend ist männlich und heißt Malte. Drei Stunden Coaching sind angesetzt — kurzes Kennenlernen, Theorie, Aufwärmen, Locationwechsel, dann unter meiner Führung Frauen ansprechen. Laut Selbstdarstellung seiner Mails ist Malte 25 und Fortgeschrittener. Wenigstens kein blutiger Anfänger heute. Nun, wir werden sehen …
     
    Pünktlich um 20 Uhr treffen wir uns in der Stiftstraße. Malte ist optisch
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