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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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heiß. Ich frage nicht nach und vermeide jeden Blickkontakt. Schaue stattdessen zu Ira. Sie raucht einen Joint und hat Mustis Gemurmel ignoriert.
     
    Völlig abwesend und widerstandslos packt er mir ein Paket mit allem was ich will. Er mault nicht mal mehr. Ich bezahle.
     
    Als ich mich verabschiede warnt er mich dann doch noch ein letztes Mal:
     
    „Nicht alles auf einmal nehmen, hörst du, Cabrón?“
     
    Er schließt die Tür hinter mir: Klack, klack, klack.
     
    Nie klang dieses Geräusch angenehmer.
     
    Gehe vor Schmerzen leise stöhnend die Treppen herunter und verlasse das Haus so schnell ich kann.
     
    Trete unten auf die Straße. Höre, wie sich über mir ein Fenster öffnet. Musti streckt seine Rübe heraus, ich habe ein ungutes Gefühl.
     
    „Cabrón, was sind das für Scheißflecken auf meinem Sofa? Scheiße, warst Du das? Sieht aus wie …“
     
    Er vollendet den Satz nicht, ich zucke mit den Schultern, setze ein ahnungsloses Gesicht auf und sehe ihm ein letztes Mal in die Augen.
     
    Er hat die gleichen Augen. Seine Augen.
     
    Weg hier!
     

13. Einschlafen
     
    ♫
„Innerlich zerrissen, so hieß der Ort an dem ich war
    Es war Dienstag, wie jeden Tag“
    (Böhse Onkelz — Schutzgeist der Scheiße)
     
    Aus einem Fenster schallt die Frankfurter Hymne auf den heutigen Wochentag. Der Morgen graut und die Straßen im Ostend sind genau so hübsch-hässlich wie sie immer waren.
     
    Wenige Stunden ist die Verabschiedung von Musti jetzt her. Er und Halil waren wahrscheinlich näher verwandt, als ich überhaupt wissen möchte. Die gleichen Augen, diese Familienangelegenheit, zu der Musti mitten in der Nacht musste, sein Gemurmel von irgendwelchen Toten … Verdammt, die Welt ist ein kurdisches Dorf!
     
    Ich muss diese Geschichte mit Musti und Halil vergessen. Mehr werde ich sowieso nie darüber erfahren. Stattdessen geht mir mein eigenes Leben durch den Kopf. Ich frage mich, ob ich es vermissen würde. Ganz ehrlich, ich glaube nicht. Klar, es hatte seine Momente, aber lohnt sich dieser ganze Aufwand dafür wirklich?
     
    Mein Leben war wirklich ganz okay. Ich habe oft das Maximale rausgeholt. Mit mir selbst bin ich eigentlich auch immer gut klargekommen. Aber auf den Tod freue ich mich trotzdem wie verrückt. Schließlich wollte ich immer nur eins: frei sein. Und der Tod ist nichts anderes als totale Freiheit. Keiner mehr, der irgendetwas von mir will. Niemand, der mir sagt, was ich zu tun habe. Ich will nichts mehr tun müssen. Ich will nichts mehr tun. Ich will überhaupt nichts mehr. Und ein Mann, der nichts will, ist unbesiegbar.
     
    Meine Karre, na endlich, da ist sie ja. Ich hatte vergessen, wo sie steht. Der Schlüssel klemmt — verdammt, ist das wirklich meine Mühle? Kurz bevor ich die Hoffnung aufgebe geht die Tür dann doch noch auf und ich steige ein. Muss wirklich meine sein, der Geruch ist nicht schön, aber vertraut.
     
    Ich starte den Motor und fahre los. Das Anschnallen wird verweigert, lieber ignoriere ich das Warngeräusch. Im Straßenverkehr verhalte ich mich genau so wie beim Geschlechtsverkehr: Sicherheit ist mir vollkommen egal.
     
    Mein Auto fährt wegen der langen Standzeit wie ein Sack Nüsse. Stört mich kurz, ist mir dann aber wurscht. Werde es bald nicht mehr brauchen.
     
    Für einen Moment durchzuckt es mich, zu Sina in die Klinik zu fahren. Sina sehen, ein letztes Mal. Wie unglaublich schön das wäre. Nur warten da ganz sicher die Bullen auf mich — an meinem Auto haben sie mir erstaunlicherweise nicht aufgelauert. Hoffentlich passen die wenigstens auf sie auf.
     
    ♫
„I know they’re all out to get me
    But all I know is all I know
    My world falls apart
    Knew it from the start
    That’s when all my thoughts turned to murder
    That’s when all my thoughts turned to suicide”
    (Slapshot — The Day My Thoughts Turned To Murder)
     
    Dem eigenen Leben ein Ende zu machen ist auf viele Arten möglich. Sich erschießen, aufschlitzen, aufhängen, irgendwo runterstürzen, totquatschen lassen … Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Klingt allerdings alles wenig nach Genuss. Ich möchte aber bei der letzten Amtshandlung Spaß haben, wenn es danach endgültig vorbei sein soll. Ein verdammtes Feuerwerk zum Abschied will ich, jawohl! Was würde da besser in Frage kommen als etwas, das zwar geil, aber so gefährlich ist, dass man es normalerweise nie ausprobieren kann?
     
    ♫
„What in God’s name have you done?
    Stick your arm for some real fun“
    (Alice In
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