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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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wenig liebevoll gebröselten Haschisch. Die verbrennenden großen Brocken sorgen für die einzigen Geräusche in diesen endlosen Sekunden.
     
    „Wisst ihr, ich mag eich Dattellutscher. Ohne eich wäre Frankfurt viel zu langweilig — der Flughafen als einzige Quelle der Kriminalität, wo kämen wir denn da hin?"
     
    Die kleinste Jogginghose fängt glucksend an zu lachen. Wie in Zeitlupe drehen sich alle anderen Jogginghosen in ihre Richtung und rufen sie mit bösen Blicken zur Ordnung. Wie im Zeitraffer wird die Luke geschlossen, das Lachen verstummt auf der Stelle.
     
    Alle Aufmerksamkeit scheint wieder auf mir zu ruhen, bis ein schlafloses Rotkehlchen tschilpend in unseren Kreis flattert und sich hüpfend um die eigene Achse dreht. Nach zwei Pirouetten stellt es das Tschilpen ein und bleibt kurz wie erstarrt stehen. Die Situation erscheint ihm plötzlich zu bedrohlich, ein Senkrechtstart wie ihn nur Rotkehlchen beherrschen und weg ist es. Nur eine kleine, schwarz-weiße Hinterlassenschaft zeugt noch von seinem Kurzbesuch.
     
    „Sagt mal, Jungs, wie ist das eigentlich mit dem Mohammed — hat der nichts gegen euer Rumgehure? Und was ist mit dem ganzen Gekiffe hier?“
     
    Ich deute auf die Sportzigarette.
     
    Der Größte der harten Jungs hält sich mittlerweile nur noch mühsam daran fest. Seine Finger zittern. Ein letzter Zug, die Tüte fällt auf den Boden, sein rechter
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Größe 47 tritt drauf und meine Welt wird rot.
     
    ***
     
    Ich wache langsam auf. Wieder fängt ein neues Leben an, das durch die allmählich einsetzende Erinnerung allerdings schnell wieder verdrängt wird.
     
    Es scheint, als würde ein Auge nicht mehr richtig funktionieren. Minuten vergehen. Allmählich kommt Gefühl in mein Gesicht zurück und ich spüre meine Sonnenbrille auf der Nase. Ich trage sie noch, erstaunlich. Ein Glas fehlt wohl, was mir deutlich lieber ist als ein kaputtes Auge …
     
    Der Boden wird auf Dauer etwas hart. Außerdem riecht es hier streng. Es wird Zeit zu gehen, sage ich mir. Ich schmeiße als erstes die einglasige Brille weg. Ich vermute, sie wurde mir aus Spaß wieder aufgesetzt, als ich längst geschlafen habe. Die Jungs haben richtig Humor.
     
    Ich rapple mich auf. Taste Nase, Kiefer und Rippen ab. Nichts gebrochen, ich muss grinsen. Dann sogar kichern. Aber nur kurz, denn Kichern schmerzt zu sehr.
     
    Ich verlasse den vermüllten Hauseingang — ohne genau zu wissen, wie ich hineingekommen bin. Ein Bein ziehe ich hinter mir her, meine Hände sind voller Blut, aber ich lebe. Und wie! Fühle mich lebendiger als je zuvor. Tief befriedigt wanke ich der aufgehenden Sonne entgegen. Es ist spät geworden.
     

3. Netzgerüchte
     
    Sonntage verbringe ich traditionell vollkommen verkatert und verbeult vor dem Rechner. Vom Schreibtisch aufstehen fällt schwer, deshalb arbeite ich gewissenhaft E-Mails ab, chatte und mache Dates für kommende Woche aus. Dabei hilft mir eine
Excel
-Datei namens
Periodensystem.xls
. In dieser Tabelle speichere ich Datensätze meiner weiblichen Bekanntschaften. Ohne diese Liste wäre ich aufgeschmissen: Ab einer gewissen Anzahl von Affären kann sich kein Mensch Adressen, Telefonnummern, Dates, besondere Vorlieben oder gefährlich aussehende Ehemänner merken.
     
    Ganz wichtig: Sofern bekannt, ist auch der Zyklus der Damen vermerkt. Daher auch der Dateiname. Ich weiß, angeblich schifft ein guter Kapitän auch im roten Meer. Mir ist das bums, von mir aus kann man mich Landratte nennen.
     
    ♫
„It is her moon time
    When there’s iron in the air
    A rusted essence
    Woman may I know you there“
    (Type O Negative — Wolf Moon)
     
    Nein danke, diese Kriegsbemalung nach einem Cunnilingus während der Menstruation ist einfach nicht mein Ding.
     
    Eine richtige Datenbank aufzubauen wäre natürlich viel praktischer als eine
Excel
-Tapete. Wollte die Datei deshalb schon lange auf
Access
umstellen, aber meine Kenntnisse scheinen nicht auszureichen. Und zu faul bin ich dafür.
     
    Sonntags kommt allerdings auch richtige Arbeit nicht zu kurz. Meistens coache ich an diesem Tag per Mail, schließlich verdiene ich meine Brötchen als Dating Coach: Ich bringe hauptberuflich Männern bei, wie man erfolgreich bei Frauen wird. Und es bleibt. Ich bin so etwas wie der Kreuzritter des männlichen Erfolges bei Frauen.
     
    Die meisten meiner Klienten sind übergewichtige Investmentbanker, die es bei ihren 60 Stunden Wochenarbeitszeit weder gebacken bekommen, ins
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