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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Autoren: Lev Grossman
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Augen des Sehenden Hasen wurden starr. Er blickte Quentin mitten ins Gesicht. Dann entblößte er seine orangefarbenen Schneidezähne und krächzte heiser: »Tod!«
    Alle standen da wie angewurzelt. Die Drohung klang weniger furchteinflößend als deplatziert, als hätte jemand einen schmutzigen Witz auf der Geburtstagsparty eines Kindes erzählt.
    Jollyby zog die Augenbrauen zusammen und leckte sich die Lippen. Quentin sah Blut an seinen Zähnen. Jollyby hustete einmal, wie probeweise, und dann knickte sein Kopf nach vorne ab. Der Hase glitt aus seinen gefühllosen Fingern und schoss über das Gras davon wie eine Rakete.
    Jollybys Leiche kippte nach vorn auf den Boden.
    »Tod und Vernichtung!«, kreischte der Hase im Fortlaufen, als hätte er sich nicht klar genug ausgedrückt. »Enttäuschung und Verzweiflung!«

Kapitel 2
    A uf Schloss Whitespire gab es einen besonderen Raum für die Konferenzen der Könige und Königinnen. Auch das gehörte zum Königsein dazu: Alles war ganz speziell für dich gemacht.
    Es war ein wundervoller Raum: quadratisch, hoch oben auf einem quadratischen Turm, mit vier Fenstern zu allen Himmelsrichtungen. Der Turm drehte sich, ganz langsam, ebenso wie einige andere Türme des Schlosses – Schloss Whitespire war auf dem komplizierten Fundament eines gigantischen Bronzeuhrwerks erbaut, ein raffinierter Entwurf der genialen Baumeisterzwerge. Der Turm drehte sich einmal pro Tag um die eigene Achse, kaum wahrnehmbar in seiner Bewegung.
    In der Mitte des Raums stand ein besonderer quadratischer Tisch mit vier Stühlen – Throne oder jedenfalls thronähnliche Sitzgelegenheiten. Es saß sich ziemlich bequem darauf; nach Quentins Erfahrung eine Seltenheit, wenn Stühle wie Throne aussahen, doch dieser Tischler hatte wohl den Bogen rausgehabt. Der Tisch war mit einer Karte von Fillory bemalt, versiegelt mit vielen Lackschichten, und Herrscher und Herrscherinnen fanden an ihren jeweiligen Plätzen ihre Namen ins Holz eingelegt, begleitet von typischen Attributen. Quentin hatte ein Bild des weißen Hirschs und des besiegten Martin Chatwin sowie ein Kartenspiel. Eliots Platz war am üppigsten verziert, wie es dem Oberhaupt der Runde geziemte. Trotz der quadratischen Form des Tisches bestand kein Zweifel daran, wo sich das Kopfende befand.
    Heute fühlten sich die Stühle nicht bequem an. Der Moment von Jollybys Tod stand Quentin noch immer klar und deutlich vor Augen, tatsächlich wiederholte sich die Szene mehr oder weniger alle dreißig Sekunden von neuem. Als Jollyby umfiel, war Quentin rasch einen Schritt nach vorn getreten, hatte ihn aufgefangen und sanft zu Boden gleiten lassen. Hilflos hatte er auf Jollybys gewaltigem Brustkasten herumgetastet, als hätte dieser sein Leben irgendwo an seinem Körper versteckt, vielleicht in einer geheimen Innentasche, und als könnte Quentin es ihm zurückgeben, wenn er es nur fände. Janet stieß einen Schrei aus, ein gellendes, unkontrollierbares Horrorfilm-Kreischen, das ganze fünfzehn Sekunden anhielt, bis Eliot sie an der Schulter fasste und von Jollybys Leiche wegdrehte.
    Zugleich wurde die Lichtung von einem gespenstischen grünen Leuchten erfüllt – ein düsterer, fremdartiger Zauber Julias, den Quentin selbst im Nachhinein noch nicht durchschaut hatte, nicht mal ansatzweise, und der ihnen bösartige Angreifer verraten sollte. Ihre Augen färbten sich vollständig schwarz, so dass kein Weiß und keine Iris mehr erkennbar waren. Sie war die Einzige, die daran dachte, zum Gegenangriff überzugehen. Doch es gab kein Angriffsziel.
    »Na schön«, begann Eliot. »Zur Sache. Was könnte heute passiert sein?«
    Nervös und betroffen sahen sie einander an. Quentin spürte den Drang, etwas zu tun oder zu sagen, doch ihm fiel nichts ein. In Wahrheit hatte er Jollyby nicht besonders gut gekannt.
    »Er war so stolz auf sich«, sagte er schließlich. »Er dachte, er hätte uns eine Riesenfreude bereitet.«
    »Es muss das Kaninchen gewesen sein«, fuhr Janet fort, deren Augen vom Weinen gerötet waren. Sie schluckte. »Stimmt’s? Oder der Hase, wie auch immer. Der hat ihn getötet. Was sonst?«
    »Davon können wir nicht ausgehen. Der Hase hat seinen Tod vorausgesagt, aber nicht unbedingt verursacht.
Post hoc ergo propter hoc.
Ein logischer Trugschluss.«
    Hätte er nur einen Wimpernschlag gewartet, wäre ihm aufgefallen, dass Janet nicht an dem lateinischen Ausdruck für den logischen Trugschluss interessiert war, dem sie aufgesessen war oder auch
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