Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Autoren: Lev Grossman
Vom Netzwerk:
lesen wollte. Tatsächlich begriff er zum ersten Mal, dass die Geschichten über Siege und Opfer erstunken und erlogen waren. Es war ja nicht so, dass er seine Strafe nicht einsah. Er hatte nur nicht damit gerechnet, er war nicht bereit dazu.
    »Ich fühle mich wie ein Arschloch, Quentin«, gestand Josh.
    »Quatsch, du hast ja vollkommen recht.« Quentins Lippen fühlten sich taub an, aber er redete weiter. »Ich hätte damit rechnen müssen. Ehrlich, es wird euch gefallen. Du kannst den Palazzo haben.«
    »Klasse, danke, Mann, das wäre super.«
    »Es tut mir so leid, Quentin!« Poppy flog ihm um den Hals. »Ich konnte nicht nein sagen!«
    »Ist schon okay. Mann, o Mann.«
    Als Erwachsener kam man sich blöd vor, wenn man sagte, es sei alles so ungerecht, aber das war es trotzdem.
    »Es wird Zeit«, sagte Ember, auf seinen albernen kleinen Ballerinahufen trippelnd.
    »Wir müssen uns jetzt verabschieden«, sagte Eliot. Er war leichenblass, auch ihm fiel es schwer.
    »Na gut. Okay. Gib mir den Knopf.«
    Erst nahm Josh ihn fest in die Arme, dann Poppy. Sie küsste ihn, aber Quentin spürte es kaum. Er wusste, dass ihm das später leidtun würde, aber es war einfach zu viel. Er musste jetzt los, sonst würde er implodieren.
    »Ich werde dich vermissen«, sagte er. »Sei eine gute Königin.«
    »Ich habe etwas für dich«, sagte Eliot. »Eigentlich wollte ich es dir erst schenken, wenn alles vorbei sein würde, aber … na ja, jetzt ist ja wohl alles vorbei.«
    Aus der Innentasche seiner Jacke zog Eliot eine silberne Taschenuhr. Quentin hätte sie unter Tausenden erkannt: Sie stammte von dem kleinen Uhrenbaum, der auf der magischen Lichtung im Königinnenwald gesprossen war, wo alles begonnen hatte. Eliot musste sie gepflückt haben, als er dorthin zurückgekehrt war. Sie tickte fröhlich, als freue sie sich, ihn wiederzusehen.
    Quentin steckte sie ein. Ihm war nicht nach Fröhlichkeit zumute. Zu schade, dass es keine goldene Uhr war, das klassische Abschiedsgeschenk zur Pensionierung.
    »Danke. Sie ist wunderschön.« Das war sie tatsächlich.
    Der riesige gehörnte Mond hatte mit einem gewaltigen Sprung die Mauer am Ende der Welt überwunden und war jetzt ganz über Fillory aufgegangen. Der Mond grollte nicht wie die Sonne, doch aus dieser Nähe sang er leise wie eine Stimmgabel. Quentin betrachtete ihn lange und intensiv. Wahrscheinlich würde er ihn nie wiedersehen.
    Dann umarmte ihn Eliot lange und küsste ihn anschließend auf den Mund. Das fühlte Quentin.
    »Entschuldige«, sagte Eliot. »Aber die anderen hast du ja auch alle geküsst.«
    Er hielt ihm den Knopf hin. Quentins Hand zitterte. Schon als er ihn ergriff, fast bevor er ihn berührte, schwamm er schon durch kaltes Wasser aufwärts.
    Auf dem Weg zu den Nirgendlanden war es immer schon kalt gewesen, aber Quentin konnte sich nicht erinnern, dass das Wasser so eiskalt gewesen war. Es brannte regelrecht auf der Haut, eine antarktische Kälte wie damals vor vielen Jahren, als er von Brakebills aus zum Südpol laufen musste. Die Wunde in seiner Seite schmerzte. Heiße Tränen quollen unter seinen Augenlidern hervor und vermischten sich mit dem kalten Wasser. Für einen langen Augenblick hing er schwerelos darin, als würde er sich nicht bewegen, doch er musste aufgestiegen sein, denn er stieß ohne Vorwarnung hart mit dem Kopf gegen Widerstand, so dass er Sternchen sah.
    Von der seelischen zur körperlichen Verletzung: Der Brunnen war zugefroren. Quentin tastete verzweifelt mit den Händen das Eis ab, wobei er fast den Knopf verloren hätte. Hatte denn niemand daran gedacht? Konnte man in magischem Wasser ertrinken? Dann trafen seine Finger auf eine Kante. Irgendjemand hatte ein Loch ins Eis geschnitten, er hatte es nur verpasst.
    Auch das Loch war zugefroren, aber nur mit einer dünnen Schicht. Erleichtert zerschlug er sie mit der Faust. Es tat gut, etwas kaputtzuschlagen. Am liebsten hätte es gleich noch einmal getan. Er zwängte sich durch das Loch und kletterte aus dem Brunnen hinaus. Dabei musste er wie eine Robbe mit dem flachen Oberkörper über das glatte Eis kriechen, den Rand des Brunnens zu fassen bekommen und sich dann gänzlich aus dem Wasser ziehen. Eine Minute lang blieb er so liegen, keuchend und zitternd.
    Für einen Moment hatte er vergessen, was ihm soeben widerfahren war. Das Einzige, wozu Todesangst gut war: Sie drängte alle anderen Probleme in den Hintergrund. Das magische Wasser verdunstete bereits. Sein Haar war schon trocken, bevor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher